Gemeinschaftsschule und Co. Schulz und das Scheitern der SPD-Bildungspolitik

Martin Schulz entdeckt Bildung als Thema für seinen Gerechtigkeitswahlkampf. Dabei haben gerade SPD-geführte Bundesländer, Berlin voran, bei der Schulpolitik zuletzt alles andere als überzeugt.

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SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz. Quelle: imago images

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz will die Bildungspolitik zur „Chefsache“ machen. Mit sieben SPD-Ministerpräsidenten präsentierte er am Montag in Berlin Vorschläge für eine „nationale Bildungsallianz“. Die bildungspolitische Botschaft von Schulz passt in sein Leitthema: Gerechtigkeit. Noch immer sei Herkunft wichtiger als Talent. „Deutschland kann mehr, wir wollen mehr. Wir wollen Deutschland zum Bildungs- und Qualifizierungsland Nummer eins in Europa machen“, sagte Schulz.  

Nun ist Bildung im föderalen Deutschland verfassungsgemäß in erster Linie Sache der Länder – und dort meist mehr oder weniger Chefsache der Ministerpräsidenten aufgrund ihrer herausgehobenen Bedeutung für Landtagswahlen. Die Bildungspolitik in einem großen Teil Deutschlands wird also seit Jahren und Jahrzehnten vor allem von Schulz' Partei selbst bestimmt.

Den Anspruch, dass Deutschland in Sachen Bildung „mehr“ könne und in diesem Bereich zur „Nummer eins in Europa“ werden solle, kann man also durchaus an dem messen, was Schulz Parteifreunde in den Ländern leisten: Sind SPD-geführte Länder tendenziell die besten „Bildungs- und Qualifizierungsländer" innerhalb Deutschlands?

von Marc Etzold, Konrad Fischer, Lin Freitag

Nicht nur bei PISA-Tests, sondern auch beispielsweise im jüngsten Bildungsmonitor 2017 des Instituts der Deutschen Wirtschaft und der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft schneiden die lange Zeit SPD-regierten Länder eher schwächer ab als die von der Union regierten. Berlin hat demnach unterm Strich das schlechteste Bildungssystem, vorletzter ist Bremen, vorvorletzter Nordrhein-Westfalen;  Hamburg hat den höchsten Anteil von Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz; rheinland-pfälzische Hochschulen tragen weniger zur Forschungsentwicklung bei als die Hochschulen in anderen Ländern; Niedersachsen verzeichnet die geringste Erfolgsquote beim Berufsvorbereitungsjahr. Um nur einige Beispiele zu nennen. Gesamtspitzenreiter des Bildungsmonitors ist hingegen das seit 1990 durchgängig CDU-regierte Sachsen.

Die SPD fordert im Rahmen ihrer „Nationalen Bildungsallianz“, deutlich mehr Geld (vor allem vom Bund) für Bildung auszugeben - statt für Rüstung. Doch ausgerechnet für das einzige Bundesland, dass die SPD ohne Unterbrechung seit 1945 regiert, nämlich Bremen, stellt der Bildungsmonitor fest: „In Relation zu den sonstigen öffentlichen Ausgaben sind die Bildungsausgaben je Schüler gering.“ Und die Bildungsergebnisse sind entsprechend: „Im Durchschnitt erreichen die Schüler in den Kompetenztests schlechte Ergebnisse. Wie die Schulvergleichstests zuletzt auch im Lesen zeigten, erreichen viele Schüler nicht die Mindeststandards.“

Vor allem das am Montag von Schulz und dem Berliner regierenden Bürgermeister Michael Müller ausdrücklich mit der „Nationalen Bildungsallianz“ verknüpfte Ziel, für Chancengleichheit und Integration zu sorgen, wird von den Ergebnissen der lange Zeit SPD-regierten Bundesländer besonders deutlich verfehlt. Denn laut Bildungsmonitor belegen Bremen, Berlin und Hamburg, aber auch Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen hier Schlussplätze. 21,9 Prozent der ausländischen Schulabgänger in der Hauptstadt haben keinen Schulabschluss – und damit kaum Chancen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt.

Im Bundesdurchschnitt verlassen nur 11,8 Prozent der Ausländer die Schule ohne Abschluss. Spitze sind Berlin und Hamburg dagegen dem Bildungsmonitor zufolge beim „Zusammenhang zwischen dem sozialen Hintergrund und dem Kompetenzniveau“ der Schüler. Kurz gesagt: Ausgerechnet in den Hochburgen der Gerechtigkeitspartei SPD sind der Lernerfolg und damit die späteren beruflichen Aussichten besonders stark von der Herkunft abhängig.   

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