Immerhin will auch die grün-rote Landesregierung die Einführung einer Gemeinschaftsschule. Wird dann nicht alles besser? Das Konzept verspricht, durch Integration und Inklusion aller Schüler, gesellschaftliche Grenzen zu überbrücken und Chancengleichheit zu schaffen...
Dieser Köder wurde ausgelegt, um die Akzeptanz für den Umbau des Schulsystems zu erhöhen. Das Gegenteil ist leider der Fall. Gerade die benachteiligten Schüler haben am wenigsten von der Neuen Lernkultur profitiert. Zwar hat man nun alle unter einem Dach versammelt, aber die soziale Selektion wird im Verborgenen fortgesetzt.
Inwiefern?
Mehr denn je entscheidet hier das ökonomische und kulturelle Kapital des Elternhauses über den Erfolg. Wer nicht aus einem entsprechenden Elternhaus kommt, hat es schwer im selbstorganisierten Lernen. Selbstständiges Lernen führt eben nicht zwangsläufig zum Lernen der Selbständigkeit.
Eine radikale schulische Inklusion führt bei einigen Kindern möglicherweise dazu, dass sie als Erwachsene weniger selbstbestimmt leben, als wenn an einer Förderschule unterstützt worden wären. Es ist ein typisches Kennzeichen von Ideologien, die Wirklichkeit zugunsten von Verheißungen auszublenden, als ob schon das hehre Ziel davon entlasten würde, nach geeigneten Mitteln zu seiner Verwirklichung zu suchen.
Viele Politiker, die soziale Bildungsexperimente im großen Stil planen, wurden dabei „erwischt“, dass sie ihre eigenen Kinder ganz konservativ in Privatschulen oder herkömmlichen Gymnasien anmelden...
Ja, ein wunderbarer Prüfstein, ob die Prediger an die eigene Lehre glauben. Die Kinder des Stuttgarter Kultusministers Andreas Stoch gehen auf eine private Waldorf-Schule. Meistens redet man sich dann damit heraus, dass die Frau es so wollte. Sicher sollte man fair bleiben, möglicherweise wurde diese Entscheidung getroffen, lange bevor das Amt gerufen hat. Aber ein Geschmäckle hat das Ganze schon, wenn man selbst Wein trinkt und Wasser predigt. Die Konsequenz sollte aber nicht sein, dass die Ministerkinder auf die GMS geschickt werden, sondern das die Politik das öffentliche Schulwesen so stärkt, das es mit den Privatschulen mithalten kann.
Laut Stoch soll neben der Gemeinschaftsschule immerhin auch das Gymnasium und die entsprechende Lehrausbildung erhalten bleiben...
Eines sollte klar sein: Allein das Schild am Schultor gewährleistet nicht, dass im inneren auch gymnasiale Ansprüche aufrechterhalten werden. Es gab beispielsweise einen Arbeitskreis Gymnasium 2020, der in einem internen Papier eine Aushöhlung des Gymnasiums vorbereitet hat. Mein Eindruck ist, dass man auch hier über die Ideologisierung des Lernens und vermeintliche „Harmonisierungen“ in Richtung Gemeinschaftsschule bewährte Konzepte abwickeln will. Ich kann mir gut vorstellen, dass es bei einer Fortsetzung der Koalition zu weiteren verdeckten Angriffen auf das Gymnasium kommen wird.