Gerichtsurteil zu spickmich.de Lehrerbewertungen im Internet erlaubt

Schüler dürfen nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes weiterhin Lehrer im Internet auf Webseiten wie spickmich.de benoten. Es könnte eine Grundsatzentscheidung auch für den Streit um andere Bewertungsportale, wie den geplanten Ärzte-TÜV, sein. Doch dabei gibt es ein Problem.

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Lehrer müssen sich in Zukunft Quelle: dpa

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Benotung von Lehrern durch Schüler im Internetforum „spickmich.de“ erlaubt. Das Recht der Schüler auf Meinungsaustausch und freie Kommunikation überwiege das Recht der klagenden Lehrerin auf informationelle Selbstbestimmung, hieß es in dem am Dienstag in Karlsruhe verkündeten Urteil.

Der Zivilsenat des BGH befand, die Bewertungen auf „spickmich.de“ stellten „Meinungsäußerungen“ dar, welche die berufliche Tätigkeit der Klägerin beträfen. In solchen Fällen habe der Einzelne grundsätzlich nicht den gleichen Schutz wie etwa bei einem Eingriff in die Privatsphäre. Die von den Schülern abgegebenen Bewertungen seien „weder schmähend noch der Form nach beleidigend“.

Die Lehrerin hatte geltend gemacht, die Veröffentlichung ihres Namens und ihrer Unterrichtsfächer in dem Schülerportal sei ein Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz und verletze ihr Persönlichkeitsrecht. Die Pädagogin hatte für das Unterrichtsfach Deutsch von den Schülern eine Gesamtnote von 4,3 erhalten.

Allerdings handele es sich um eine „Einzelfallentscheidung“ betonten die Richter, die nicht grundsätzlich auf Bewertungsportale im Internet übertragbar sei. Experten hatten sich von dem Urteil eine Grundsatzentscheidung erhofft. Denn immer wieder gibt es Streit um Bewertungsportale. So verhängte der Berliner Datenschutzbeauftragte im vorigen Jahr ein Bußgeld gegen die Seite MeinProf.de, bei der Studenten ihre Professoren benoten können. In mehreren Streitfällen vor Gericht setzte sich das Portal durch.

Auch im Fall von Spickmich war die klagende Lehrerin im Jahr 2007 mit einer einstweiligen Verfügung vor dem Landgericht Köln und dem Oberlandesgericht Köln gescheitert und blieb  im vergangenen Jahr auch im Hauptsacheverfahren erfolglos.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falls hatte das Oberlandesgericht die Revision zugelassen. „Zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung“ halte man eine Entscheidung des BGH für nötig, hieß es bei der Urteilsverkündung.

Denn ob Reise- und Hotelbewertungen bei HolidayCheck.de und Tripadvisor.de oder Restaurantkritiken auf Qype.de - Bewertungsportale im Internet boomen. Der Konflikt zwischen zu schützenden Persönlichkeitsrechten und dem Interesse der Nutzer schwelt dabei an vielen Stellen.

So plant die AOK einen „Arzt-Navigator“, bei dem Ärzte von ihren Patienten künftig öffentlich im Internet bewertet werden sollen. Barmer Ersatzkasse und Techniker Krankenkasse (TK) zeigen ebenfalls Interesse an dem Projekt.  

Dagegen erklärte der Vorstandschef der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, Jürgen Fedderwitz, in der „Süddeutschen Zeitung“, solche Bewertungsportale seien erfahrungsgemäß extrem missbrauchsanfällig. „Da muss die AOK aufpassen, dass sie kein populistisches System mit Hitparaden-Charakter aufbaut“, sagte er. Über gute Medizin könne man nicht einfach abstimmen wie bei „Deutschland sucht den Superstar“.

Auch der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, kritisierte das Vorhaben. Jeder Patient habe das Recht auf bestmögliche Behandlung. „Doch es ist unseriös, anonyme Fragebögen als Grundlage für Ranglisten zu nutzen, wie das einige Arzt-Bewertungsportale im Internet bereits jetzt praktizieren“, sagte er.

Auf Portalen wie DocInsider.de, Jameda.de oder Helpster.de können Patienten bereits berichten, ob sie mit der Behandlung zufrieden sind und wie lange sie auf einen Termin warten mussten. Ärztevertreter kritisieren, dass Laien die medizinische Heilkunst nicht seriös beurteilen könnten. Auch „weiche Faktoren“ wie die Freundlichkeit des Mediziners spielten eine wichtige Rolle bei der Genesung, halten die Betreiber dagegen.

Beim Lehrerbewertungsportal spickmich erhalten Lehrer in verschiedenen Kategorien Schulnoten von 1 bis 6. Dabei geht es um Bewertungen beruflicher Fähigkeiten wie „fachlich kompetent“, „gut vorbereitet“ und „faire Noten“, aber auch um Einschätzungen persönlicher Seiten wie „cool und witzig“, „menschlich“ oder „beliebt“. Aus dem Durchschnitt der anonym abgegebenen Bewertungen wird eine Gesamtnote errechnet.

Kritik gab es auch hier immer wieder daran, dass die Bewertungen anonym abgegeben werden können. Damit würde das Portal zu einem virtuellen Pranger. Doch für die Betreiber ist dies immens wichtig. „Für die Anonymität würde ich kämpfen wie ein Löwe“, erklärt Manuel Weisbrod, einer der drei Gründer des Portals. Nähme man die Anonymität weg, hätten die Lehrer die Möglichkeit zu Repressalien.

Verschiedene Mechanismen sollen die Qualität der Bewertungen sichern. „Es müssen mindestens zehn unterschiedliche Schüler einen Lehrer bewertet haben, damit die Benotung öffentlich gemacht wird“, sagt Weisbrod. Die Ergebnisse könnten sowohl bei der Wahl der Schule als auch einzelner Kurse helfen. Zudem seien sie ein Feedback für die Lehrer.

Für viele Internetnutzer sind Bewertungen zu einer wichtigen Entscheidungshilfe geworden. Bei Ebay gehören sie zu den entscheidenden Elementen, um unseriöse Käufer und Verkäufer zu kennzeichnen. Änderungen an den Bewertungsmechanismen sorgen daher immer wieder für Ärger.

Auch Test-Portale für Produkte wie Ciao.de und Dooyoo.de sind äußerst beliebt. Doch auf all diesen Seiten sind auch Manipulationen durch die Bewerteten selbst oder Wettbewerber nicht ausgeschlossen. So musste die Deutsche Bahn kürzlich einräumen, im Jahr 2007 1,3 Millionen Euro für verdeckte PR ausgegeben zu haben – unter anderem in Internetforen.

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