Gesetze aus dem vergangenen Jahrhundert Sieben Forderungen an eine moderne Verkehrspolitik

Bei den Sondierungsgesprächen für ein schwarz-gelb-grünes Regierungsbündnis geht es diese Woche auch um die zukünftige Verkehrspolitik. Was sich in den kommenden vier Jahren verändern muss.

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Fahrradampel Quelle: dpa

Wenn Bruno Ginnuth über Mobilität in Deutschland redet, erzählt er gerne die Geschichte über sein Geschäft in Leipzig. Der Jungunternehmer hat vor drei Jahren das Start-up CleverShuttle gegründet, das Fahrgäste in einem Elektroauto einsammelt und zum Ziel bringt. Die Idee: geteilte Mobilität ist preiswerte Mobilität. Doch eigentlich sind Sammeltaxis dieser Art per Gesetz verboten. Die Stadt Leipzig hat das Geschäftsmodell dennoch unter Auflagen erlaubt. Dafür mussten Ginnuths Leute Fahrtenbücher schreiben. Jede Fahrt musste nach Auftragsnummer, Abhol- und Zielort und Zeit dokumentiert werden. Und zwar handschriftlich!

Erst seit Kurzem kann CleverShuttle eine Software mit digitalem Zeitstempel einsetzen, die die Stadt akzeptiert.

Mobilität in Deutschland basiert in weiten Teilen noch auf Gesetzen des vergangenen Jahrhunderts. Auch Ginnuths Unternehmen setzt sich täglich mit dem Personenbeförderungsgesetz (PbefG) auseinander, das seinen Ursprung im Jahr 1934 hat. Die amtierende Bundesregierung hat an diesem Missstand nichts geändert. Die Folge: Deutschland schöpft längst nicht alle Möglichkeiten für eine moderne Verkehrspolitik aus. So könnte sie aussehen.

Lasst Uber rein

Dass CleverShuttle inzwischen auch in Berlin, Hamburg und München unterwegs ist, hat viel mit unternehmerischer Kreativität und Hartnäckigkeit zu tun. Denn eigentlich dürfen Sammeltaxis, die Fahrgäste aufsammeln, den Nahverkehr nicht kannibalisieren. Die Lobby der Taxi-Branche hatte sich durchgesetzt. Ginnuth überredete die Stadtverwaltungen immerhin zu Sonderkonzessionen. In der Hauptstadt etwa startete CleverShuttle mit einem Dutzend Fahrzeugen. Pilotprojekte erlaubt nämlich auch das PbefG. Doch mehr als die Genehmigung für ein paar Fahrzeuge war nicht drin.

Was den Deutschen für die Mobilität der Zukunft wichtig ist

Das muss sich ändern. Die künftige Bundesregierung muss neue Mobilität, die durch Digitalisierung möglich wird, erlauben und fördern. Dazu gehören vor allem auch ökologische Sammeltaxis, selbst dann, wenn sie in Konkurrenz zum öffentlichen Nahverkehr stehen. Junge Unternehmen wie mytaxi haben verkrustete Branchen wie den Taxi-Markt (übrigens einer der größten Schwarzmärkte in Deutschland) aufgebrochen. Durch Bewertung der Fahrer in den Apps steigt inzwischen jeder Fahrer aus, um seinen Fahrgästen beim Gepäck zu helfen. Dieses Momentum könnten auch Sammeltaxis auslösen.

Die Angst vor US-amerikanischer Dominanz durch Anbieter wie Uber darf kein Kriterium sein. Die entscheidende Frage ist doch: Wie wollen sich die Bürger bewegen? Und nicht: Was ist gut für herkömmliche Anbieter wie Taxis, Bus und Bahn? Sozialdumping lässt sich durch kluge Gesetze vermeiden. Auch Elektroautos und Hybride könnten bei der Gesetzgebung eine stärkere Rolle spielen. Dann bekommt Deutschland hoffentlich bald eine zusätzliche Alternative zum teuren Taxi.

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