Geste an die Türkei Berlin dementiert Distanzierung von Armenien-Resolution

Die Bundesregierung will sich laut einem Bericht von der Armenien-Resolution des Bundestags distanzieren, um die Beziehungen zur Türkei zu entspannen. Von Regierungsmitgliedern kommt ein klares Dementi.

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Der Regierungssprecher dementiert einen „Spiegel“-Bericht. Quelle: Reuters

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier bekennt sich zur umstrittenen Armenien-Resolution des Bundestags. „Herr Steinmeier stand, er steht und er wird zu der Armenien-Resolution des Deutschen Bundestages stehen“, sagte ein Außenamts-Sprecher am Freitag in Berlin. Der Außenminister sei selbst Abgeordneter, das gelte „auch persönlich“. „Von Distanzierung kann überhaupt keine Rede sein.“ Zuvor hatte auch Regierungssprecher Steffen Seibert einen Medienbericht dementiert, nach dem die Bundesregierung sich von der Resolution distanzieren wolle.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat nach Angaben von CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder der Darstellung widersprochen, sie distanziere sich von der Armenien-Resolution des Bundestages. In der Klausursitzung des Fraktionsvorstands berichtete Kauder am Freitag nach Angaben von Teilnehmern, Merkel habe in einem Telefonat mit ihm auch darauf hingewiesen, dass sie selbst in der entsprechenden Unions-Fraktionssitzung für den Antrag gestimmt habe.

„Spiegel Online“ hatte zuvor berichtet, die Bundesregierung werde auf Distanz zur Armenien-Resolution des Bundestags gehen. Geplant sei demnach eine politische Geste an die türkische Regierung, damit deutsche Abgeordnete die in Incirlik stationierten Bundeswehr-Soldaten wieder besuchen dürfen. Das Auswärtige Amt und das Kanzleramt hätten sich darauf geeinigt, dass Regierungssprecher Steffen Seibert vor die Presse treten und sich im Namen der Regierung von der Armenien-Resolution des Bundestages distanzieren solle, hieß es am Freitag auf dem Nachrichtenportal. Laut „Spiegel“ sollte Seibert verkünden, dass die Resolution des Bundestags keinerlei bindende Wirkung für die deutsche Regierung habe: Es handele sich um eine politische Erklärung des Bundestags ohne jede juristische Bedeutung. Als Seibert vor die Presse trat, sagte er zur angeblichen Distanzierung: "Davon kann überhaupt keine Rede sein."

Kauder berichtet nach Teilnehmerangaben weiter, dass Außen-Staatssekretär Markus Ederer Gespräche in der Türkei geführt und am Freitag morgen auch die Verteidigungs-Obleute der Fraktionen darüber unterrichtet habe. Bei den Gesprächen in der Türkei soll er auch auf die Bundestags-Homepage im Internet hingewiesen haben, auf der deutlich erklärt wird, dass die Resolution keine bindende Wirkung habe.

"Das völlig falsche Signal"

Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) wies am Morgen darauf hin, dass nicht jede Resolution des Parlaments rechtlich verbindlich sei. Der Bundestag habe „natürlich jedes Recht und die Freiheit, sich zu politischen Fragen zu äußern“, antwortete Steinmeier bei einem Treffen mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Berlin auf eine entsprechende Nachfrage.

Die Türkei verweigert deutschen Abgeordneten seit Verabschiedung der Armenier-Resolution Anfang Juni den Besuch bei den auf der türkischen Nato-Basis Incirlik stationierten Bundeswehrsoldaten. Der Bundestag bezeichnete in dem Beschluss das Vorgehen des Osmanischen Reichs gegen die Armenier vor mehr als 100 Jahren als Völkermord. Merkel hatte an der Abstimmung ebenso wenig teilgenommen wie Vizekanzler Sigmar Gabriel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Die Kanzlerin hatte aber bei der vorherigen Probeabstimmung in der Fraktion mit den Abgeordneten für die Resolution gestimmt. Eine Regierungssprecherin hatte ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Merkel die Resolution unterstützt habe.

Der Medienbericht über den neuen Kurs der Bundesregierung hatte in der Unionsfraktion am Vormittag für Irritationen gesorgt. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Stephan Harbarth sagte am Freitag vor Beginn einer Sitzung des Vorstands in Berlin, die Unionsfraktion habe ihre Position in der Abstimmung über die Resolution zum Ausdruck gebracht, „die Position der Unionsfraktion bleibt unverändert.“ Ein Vorstandsmitglied sagte der Deutschen Presse-Agentur, eine Distanzierung durch Merkel wäre „fatal“. Ein solcher Schritt werde der Kanzlerin gar nicht zugetraut.

Im Vorstand der Unionsfraktion hieß es, eine Distanzierung durch Merkel wäre „das völlig falsche Signal“ an den türkischen Präsidenten Tayyip Recep Erdogan, der vor allem türkischstämmige Bundestagsabgeordnete nach der Resolution persönlich angegriffen hatte.

Die Bundeswehr hat in Incirlik im Süden der Türkei mehr als 200 Soldaten sowie sechs Tornado-Aufklärungsjets und ein Tankflugzeug stationiert. Sie sollen den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) unterstützen.

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