Gesundheitsfonds Schäubles neue Melkkuh

Schäubles Ziel ist es, 2014 einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Dass er dafür den Gesundheitsfonds plündern will, bringt die Koalition in Rage. Doch in der FDP findet der Minister auch Zustimmung.

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Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Quelle: dpa

Berlin Die angestrebten Milliarden-Einsparungen für den Bundeshaushalt 2014 sollen nach dem Willen von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) größtenteils zulasten des Gesundheitsfonds für die gesetzlichen Krankenkassen gehen. Finanz-Staatssekretär Steffen Kampeter (CDU) bestätigte nun entsprechende Überlegungen des Ministeriums, über die der „Spiegel“ bereits am Wochenende berichtet hatte. „Es macht wenig Sinn, ein Defizit im Haushalt und gleichzeitig hohe Überschüsse in der Gesundheitskasse zu haben“, sagte Kampeter der „Rheinischen Post“.

Dem Blatt zufolge könnte der Bundeszuschuss an den Fonds um weitere zwei Milliarden Euro gekürzt werden. Auch die staatliche Förderbank KfW „wird sicher einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten können“, so Kampeter.

In der Koalition sorgt der Plan für massiven Ärger. Der Gesundheitsexperte der Union, Jens Spahn, verwarf den Vorstoß seines Parteifreundes prompt. Der "Rheinischen Post" sagte Spahn: "Es fällt schwer, Apothekern, Pflegern und Ärzten in Krankenhäusern oder auch Patienten zu erklären, dass wir sparen müssen, um die Kassenfinanzen stabil zu halten, wenn es Woche um Woche Vorschläge gibt, den Gesundheitsfonds zum finanziellen Steinbruch zu machen. Der Bundeszuschuss soll die Kosten der Kinder abdecken, der ist also zweckgebunden."

Auch das Bundesgesundheitsministerium stellt sich quer. Die gesetzliche Krankenversicherung leiste mit insgesamt 4,5 Milliarden Euro in den Jahren 2013 und 2014 bereits einen erheblichen Sparbeitrag, sagte eine Sprecherin. Der Zuschuss von eigentlich 14 Milliarden Euro diene zur Finanzierung versicherungsfremder Leistungen wie das Mutterschaftsgeld und die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern. Das Sparen müsse eine Gemeinschaftsaufgabe aller Ministerien sein, sagte die Sprecherin von Minister Daniel Bahr.


Empörung bei SPD und Linken

Derzeit sucht die Regierung nach Wegen, um für 2014 rund vier Milliarden Euro einzusparen. Experten zufolge könnten sich die Reserven von Kassen und Fonds im vergangenen Jahr auf 30 Milliarden Euro erhöht haben. Die Zahlen liegen noch nicht vor.

Dem Gesundheitsexperten der FDP-Bundestagsfraktion, Erwin Lotter, gehen die geplanten Gesundheitsfonds-Kürzungen zu Gunsten des Bundeshaushalts sogar nicht weit genug. „Umbuchen wäre allenfalls ein Placebo“, sagte Lotter Handelsblatt Online. „Den Gesundheitsfonds komplett abschaffen ist die einzig wirkungsvolle Therapie.“

"Die schwarz-gelbe Bundesregierung kann ihre Haushaltsziele nur noch durch tiefe Eingriffe in die Sozialkassen erreichen", kritisierte SPD-Fraktionsvize Joachim Poß. Dies sei "das Gegenteil zukunftsorientierter und vorsorgender Haushaltspolitik".

Eine erneute Kürzung des Zuschusses an den Gesundheitsfonds sei "nichts weiter als die Sanierung des Haushalts auf Kosten der Versicherten", bemängelte der Bundesgeschäftsführer der Linken, Matthias Höhn. Den Überschuss der Krankenkassen hätten die Arbeitnehmer erwirtschaftet. Die Linke fordere daher die Abschaffung des allein von den Versicherten zu zahlenden Sonderbeitrags in Höhe von 0,9 Prozent und der bisherigen Zuzahlungen. Die Überschüsse der Krankenkassen liegen bei gut zwölf Milliarden Euro.


Barmer kritisiert "unzuverlässige" Politik

"Die Gedankenspiele der Bundesregierung sind ein Beispiel für die Unzuverlässigkeit politischer Zusagen zur stabilen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung", erklärte der Vorstandsvorsitzende der Barmer GEK, Christoph Straub. Die Krankenkassen seien auf die von der Politik zugesagten Steuerzuschüsse angewiesen.

Straub wies auf die sich eintrübenden Konjunkturaussichten, die Mehrausgaben für Ärzte- und Apothekerhonorare sowie auf das bevorstehende Auslaufen der Spargesetze im Klinik- und Arzneimittelbereich hin. Mit der Streichung der Praxisgebühr und den bereits beschlossenen Absenkungen des Steuerzuschusses fehlten der gesetzlichen Krankenversicherung in diesem und im nächsten Jahr bereits rund 6,5 Milliarden Euro.

DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach bezeichnete Kampeters Überlegungen als "Skandal" und als "billigen Versuch der Bundesregierung, ihre Haushaltslöcher wieder einmal zu Lasten der Versicherten zu stopfen". Für weitere Kürzungen beim Bundeszuschuss an den Gesundheitsfonds bestehe kein Spielraum, erklärte der Präsident des Sozialverbandes Deutschland (SoVD), Adolf Bauer. Der Zuschuss finanziere unverzichtbare Leistungen, wie die kostenfreie Mitversicherung von Kindern.

Mit Material von AFP

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