Gesundheitsminister Gröhe Insellösungen statt Digitalisierung im Gesundheitswesen

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Deutschland hinkt hinterher

Zur Erinnerung: Bereits im Jahr 2003 kündigte Ministerin Ulla Schmidt (SPD) an, ab 2006 solle das Gesundheitssystem digitalisiert werden, samt elektronischer Gesundheitskarte und Patientenakte. Heute sind weit mehr als eine Milliarde Euro für die Gesundheitskarte ausgegeben. Sie kann bisher kaum mehr als bei einem Umzug des Versicherten automatisch die Adresse zu ändern.

So viel zahlen Pharmakonzerne an Ärzte und Kliniken
Novartis Quelle: AP
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Sanofi Quelle: dpa

Irgendwann war dieses Schneckentempo selbst dem geduldigen Gröhe zu viel. Er machte ein Gesetz, das den zuständigen Vertretern von Krankenkassen und Ärzten empfindliche Geldstrafen androht, wenn sie nun nicht endlich ihren immer wieder verschobenen Zeitplan einhalten. Seither scheint 2018 nun realistisch für den Start eines digitalen Gesundheitssystems.

Bereits beim vorigen Stopp der Sommertour Gröhes an der Uni Madgeburg hatten die Mediziner, die an seltenen Krankheiten forschen, das Thema angesprochen. Ihre Patienten, die oft an seltenen Chromosomenveränderungen leiden, wohnen teils über Deutschland verstreut. Auch in Magdeburg ist eine elektronische Patientenakte in eigener Regie im Einsatz. So lassen sich Distanzen zu Kindern und ihren Familien sowie erwachsenen Patienten überwinden. Die lernen auch mit den Informationen, ihre Krankheit besser selbst einzuschätzen.

Die größten Krankenkassen

Am Vorabend hatte Gröhe in Hannover dann Medizinprofis getroffen, die mit gelben Krankschreibungszetteln oder einem Ausdruck eines Röntgenbildes im Briefumschlag gar nichts mehr anfangen können. Der Gesundheitsminister traf Startups, die E-Health-Anwendungen ins Gesundheitssystem bringen wollen. Die Gründer von Neotiv etwa sprachen über ihr Produkt, das Älteren einmal helfen soll, Frühzeichen von Demenz zu erkennen und ihren Lebensstil zu ändern, um gesünder zu bleiben.

Der Mediziner Markus Müschenich, der in Berlin den Inkubator „Flying Health“ für Medizin-Startups führt, sagte gar Umstürzlerisches voraus. „Wir zählen nicht Schritte oder Kalorien, bei uns geht es um seriöse Neuerungen, die bald zur Schulmedizin gehören werden.“ Selbstbewusst schätzte Müschenisch, im Jahr 2025 sei der klassische Arztbesuch in vielen Fällen nicht mehr nötig. Programme etwa zur Früherkennung von bösartigen Hautveränderungen seien dann zudem wohl besser als die Kontrolle durch Dermatologen. 100 Milliarden Euro werde das digitale Budget im Gesundheitswesen dann umfassen, trat der ehemalige Vorstand der Sana-Klinikkette selbstbewusst auf. „Alle, die sich nicht an der Digitalisierung beteiligen, werden es mit deutlich schrumpfenden Budgets zu tun haben.“ Zum Vergleich: Dieses Jahr geben die gesetzlichen Kassen wohl rund 215 Milliarden Euro an Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds aus. 

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