Gipfel am Mittwoch „Staatskrise“ Dieselskandal

Vor dem „Diesel-Gipfel“ streitet die Bundesregierung um die Auflagen, die der Autoindustrie gemacht werden sollen. Das DIW mahnt zu einer schnellen Verkehrswende. Große Teile der deutschen Wirtschaft seien bedroht.

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Die Bundesregierung ist sich noch nicht einig, wie sie auf die Kartell-Vorwürfe gegen die Autoindustrie reagieren soll. Quelle: dpa

Berlin Die Bundesregierung will beim „Diesel-Gipfel“ mit einer Stimme sprechen. Abstimmungen dafür liefen „auf den letzten Metern“, sagte ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums am Montag in Berlin. Vor allem Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) ist der Meinung, dass die angekündigten Software-Updates alleine nicht ausreichen.

Am Mittwoch kommen Bund, betroffene Länder und die Autobranche in Berlin zusammen, um über Nachbesserungen bei der Abgasreinigung von Diesel-Autos zu sprechen. Die Industrie hat bisher nur Software-Updates angeboten. Dadurch könne der Ausstoß gesundheitsschädigender Stickoxide laut Verkehrsministerium im Durchschnitt um 40 bis 50 Prozent reduziert werden.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schlägt Alarm angesichts der Ausmaße, die der Dieselskandal inzwischen angenommen hat. „Der Dieselskandal ist eine Staatskrise“, schreibt die Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt beim DIW, Claudia Kemfert, in einem Beitrag für das Magazin „Capital“. Bedroht seien große Teile der deutschen Wirtschaft. „Wir brauchen dringend alle erforderlichen Hilfsmannschaften, um möglichst rasch und möglichst konsequent die nachhaltige Verkehrswende einzuleiten – bevor die Dämme brechen.“

Kemfert fordert eine konsequente auf Nachhaltigkeit, Umwelt- und Klimaschutz ausgerichtete Verkehrspolitik: Der Verkehrssektor müsse die Treibhausgas-Emissionen bis 2050 um 80 Prozent verringern und den Ausstoß von Stickoxiden und Feinstaub senken. „Wie in Frankreich und Großbritannien sollten Diesel- und Benzinfahrzeuge in den kommenden 20 Jahren von den Straßen verschwinden“, sagte die Expertin weiter.

Der Ausbau erneuerbarer Energien dürfe nicht länger gedeckelt werden. „Nur so kann die Mobilität der Zukunft wirklich klimaschonend sein.“ Dies schaffe enorme wirtschaftliche Chancen während das „zu lange und krampfhafte Festhalten am Alten“, Arbeitsplätze gefährde. „Investitionen in Zukunftsmärkte schaffen Jobs und echten Vorsprung durch Technik“, betonte die DIW-Ökonomin.

Hart ins Gericht ging Kemfert mit der deutschen Autobranche. „Wer so viel kriminelle Energie aufbringt, um eine Dinosaurier-Technologie künstlich am Leben zu erhalten, hat jedes Vertrauen verspielt.“ Nachdem beim Porsche Cayenne illegale Diesel-Software aufgefallen war, überprüft das Verkehrsministerium nach eigenen Angaben nun „alle Drei-Liter-Modelle des VW-Konzerns, auch ohne konkrete Hinweise“, sagte der Sprecher.

„Wir brauchen eine starke und innovative, aber auch ehrliche Autoindustrie“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe von Berichten über mögliche Absprachen der Hersteller aus der Presse erfahren. Die EU-Kommission prüft Informationen, wonach sich VW, BMW, Daimler, Audi und Porsche unter anderem in technischen Fragen und teilweise beim Einkauf abgesprochen haben sollen. Die Kartellwächter müssen jetzt entscheiden, ob die Absprachen illegal waren.

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