Gleichberechtigung Was am Frauentag falsch läuft

Der Kampf für Frauenrechte hat in Deutschland an Schwung verloren, der Frauentag zeigt das. Die Frauenbewegung braucht wieder messbare Ziele, für die sich alle gemeinsam einsetzen. Und bitte keine Rosen! Ein Vorschlag.

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Ein Strauß Rosen am Frauentag? Muss nicht sein. Quelle: dpa

Um eines vorneweg zu sagen: Für und von Frauen wurde in Deutschland seit dem ersten internationalen Frauentag vor mehr als 100 Jahren sehr viel erreicht. Die Errungenschaften im Einzelnen sind bekannt: für Frauen gelten die gleichen Gesetze wie für Männer, Frauen bekleiden hohe Posten in Unternehmen, eine Frau ist seit mehr als zehn Jahren Chefin von Deutschland – die Liste ist lang.

Aber wirkliche Gleichberechtigung? Immer noch ein frommer Wunsch. In Wirtschaft, Politik und Wissenschaft dominieren – vor allem in Führungspositionen – weiter Männer, Sie kennen das bestimmt aus Ihrem beruflichen Alltag. Es gibt also noch viel zu tun, damit eines Tages Ihre Töchter, Nichten und Enkelinnen, liebe Leserinnen und Leser, die gleichen Chancen haben wie der männliche Teil der Gesellschaft. Im Moment haben sie das nicht, Sie kennen die Zahlen und Statistiken.

Dennoch ist der Frauentag inzwischen einer, an dem manch ein Mann allen Ernstes Frauen Rosen schenkt und ihnen „Alles Gute zum Frauentag“ wünscht. Bestimmt nett gemeint, aber leider am Thema vorbei. Denn wozu war der Tag noch einmal da? Wir erinnern uns, seinen Ursprung hatte er in den (erfolgreichen) Protesten für das Frauenwahlrecht. Das ist lange her. In der Zwischenzeit hat der Kampf für Frauenrechte zwar massiv an Unterstützern gewonnen, aber an Schwung verloren.

Dabei gibt es noch so viel zu tun: Noch immer kann man keine Pille für den Mann kaufen und das Ehegattensplitting sorgt noch immer dafür, dass die meist schlechter verdienende Frau ihren Job beim ersten Kind aufgibt. Laut einer aktuellen Umfrage der Jobbörse Stepstone glauben 80 Prozent der Frauen, dass Kinder ihrer Karriere schaden. Und da wundern sich noch manche, warum die Geburtenrate so gering ist. Von Gleichberechtigung kann spätestens bei der Familienplanung keine Rede sein.


Aufmerksamkeits-Kampagnen reichen nicht aus

Das Problem: Die heutigen Frauenproteste haben an Klarheit verloren. Es gibt keine nachprüfbaren Forderungen mehr wie die nach einem Wahlrecht für Frauen. Beispiel: Unter dem Hashtag „#Aufschrei“ setzten sich Frauen und Männer im Jahr 2013 gegen die alltägliche Diskriminierung von Frauen ein. Das Problem: Wann ist das Ziel erreicht? Wie kann man das messen? Durch nackte Zahlen? Das dürfte schwer möglich sein, denn die vielen Vorfälle, Grapsch-Attacken, verbalen Herabsetzungen und ähnliches werden ja nicht irgendwo zentral gemeldet. Die Entwicklung dieser Diskriminierung ist also immer vor allem „gefühlt“ und nicht messbar.

Ähnliches bei den Reaktionen auf die Silvesternacht in Köln. Weil vor allem Frauen unter den Opfern waren, protestierten Frauenrechtler als Reaktion auf die Übergriffe bundesweit gegen sexualisierte Gewalt gegen Frauen. Auf dieses Problem hinzuweisen, ist lobenswert. Aber eine überprüfbare Forderung ist „Keine Gewalt gegen Frauen“ nicht. Auch hier dürfte die Dunkelziffer wieder zu hoch sein, um eine Entwicklung in die eine oder andere Richtung nachweisen zu können.

Klar, solche Kampagnen, die aufmerksam machen, sind richtig und wichtig. Aber sie reichen nicht aus. Der Kampf für die Rechte von Frauen braucht wieder messbare Ergebnisse. Sie ahnen vielleicht, wo die Reise hingeht: Gut wäre, wenn die Frauenbewegung sich für die Quote in den Chefetagen der Unternehmen einsetzt. Die Forderung ist griffig, schlüssig und vor allem: Ihr Erfolg ist messbar.

Wenn Frauen und Männer vor 100 Jahren darauf gewartet hätten, dass das mit dem Wahlrecht sich irgendwann von selbst ergibt, hätte Angela Merkel als junge Frau vielleicht noch nicht wählen gehen dürfen.

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