Görlachs Gedanken

Fall Jan Böhmermann: Angela Merkel hätte souveräner sein müssen

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Auch Donald Trump will die Freiheit einschränken

Möglich macht dies in den USA das First Amendment der Verfassung, das festschreibt, dass die Redefreiheit unter keinerlei Umständen eingeschränkt werden darf. Man darf sich öffentlich äußern wie man möchte, das gilt für politische Aussagen allgemein wie auch für die Person des Präsidenten im Besonderen. Ein Recep Erdogan würde es in den USA keinen Tag aushalten. In der Türkei hat er rund 1800 Verfahren gegen Bürger angestrengt, von denen er sich beleidigt fühlt.

Kein Wunder, dass ein Donald Trump, der in seiner xenophoben Grundausstattung einem Herrn Erdogan nicht unverwandt ist, diese Freiheit einschränken möchte. Die Rechtsprechung in den USA sieht in Politikern Personen von öffentlichem Interesse. Diese werden in ihren Rollen Adressaten von Schmähungen, Beschimpfungen, Kritik durch den populus, durch das Wahlvolk. Sie haben durch ihre Ämter weniger Schutz und nicht mehr - so wie etwa der deutsche oder der österreichische Bundespräsident gesetzlich gegen Verunglimpfungen geschützt sind.

Auch die Presse genießt weitgehendste Freiheiten. Nur weil bei der Berichterstattung auch Fehler vorkommen können, naturgemäß, könnte nicht im Vorhinein eine bestimmte Berichterstattung ausgeschlossen oder verboten werden. Das gilt in den USA seit 1964, als ein Bürger die New York Times wegen eines Recherechefehlers auf 500.000 Dollar Schmerzensgeld verklagte und damit scheiterte.

Trump möchte das nun ändern, den Schutz, den die freie Presse genießt, absenken, um, wie er sagt, die Medienhäuser und Journalisten zu verklagen und "jede Menge Geld damit zu machen".

Dahinter steckt ein ähnliches Kalkül wie in der Türkei: In der Republik Erdogans werden Verleger mit Steuernachzahlungen konfrontiert, die angeblich aufgelaufen seien. Diese könnten bezahlt oder vergessen werden, sollte man als Verleger beginnen, erdoganfreundlich zu schreiben. Ähnliches hat Donald Trump im Sinn: durch die permanente Drohung, einen Verlag mit Klagen zu überziehen und zu lähmen, entstünde ein ähnliches Klima der Einschüchterung und der Unfreiheit.

Die Bundeskanzlerin hat gut daran getan, anzukündigen, dass zumindest der Paragraph fallen werde, der die Beleidigung ausländischer Staatschefs unter Strafe stellt. Das stärkt die Meinungsfreiheit und schützt die Presse. Aber warum nicht einen Schritt weitergehen und sowohl den Paragraphen abschaffen, der den Bundespräsidenten besonders schützt. Und wenn man schon dabei ist: auch den Gotteslästerungsparagraphen abschaffen? Freie Gesellschaften haben keine allerheiligsten Güter außer den Freiheiten, die sie der Person als unveräußerlich und von Geburt an zusprechen. Hier gilt: je mehr Freiheit, desto besser. Deutschland sollte sich hier an den USA orientieren.

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