Görlachs Gedanken Deutschland aus den Fugen

Die Landtagswahlen zeigen, wie zerrüttet unser Parteien-System ist: Es wird lahmgelegt in einer Weise, die die Deutschen bisher nur aus den USA kannten, dem Land der unbegrenzten politischen Blockade.

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Reaktionen aus den Ländern
Björn Höcke, AfD Quelle: REUTERS
Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner: Quelle: dpa
Ralf Stegner, SPDSPD-Vize Ralf Stegner erwartet ungeachtet des schwachen Abschneidens bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt keine Diskussion über Parteichef Sigmar Gabriel. "Nein, kein Stück", sagte Stegner am Sonntag in der ARD. "Wir werden jetzt gemeinsam schauen, dass wir jetzt die nächsten Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin gut machen und im nächsten Jahr im Bund. Und der Rückenwind aus Mainz wird uns dabei helfen." In Rheinland-Pfalz sind die Sozialdemokraten stärkste Partei geworden. Zum Erfolg der rechtspopulistischen AfD sagte Stegner: "Die AfD hat mit Angstmacherei Punkte gemacht. Wir rücken nicht nach rechts." Quelle: dpa
Alexander Gauland, AfD Quelle: dpa
Sigmar Gabriel, SPD Quelle: REUTERS
Frauke Petry, AfD Quelle: AP
Katrin Budde, SPD Quelle: REUTERS

Lange beobachtete man in der Alten Welt das Entstehen und Erstarken der Tea-Party mit Kopfschütteln. Man war pikiert über die seltsame Hockey-Mom Sarah Palin genauso wie man nun über Donald Trump die Stirn runzelt. Zwischendrin haben die Republikaner durch ihr Nein zu neuen Schulden kurzzeitig die öffentliche Verwaltung lahm und über das Land einen bleiernen Schleier der politischen Ohnmacht gelegt.

Auch das konnten wir uns hierzulande nicht vorstellen, genauso wenig wie die Möglichkeit, dass ein Regierungssystem so an den Rand des Kollaps navigiert werden kann, wenn populistische Strömungen über es herfallen– und wenn politische Kandidaten das System, das sie groß gemacht hat und, von dem und in dem sie leben, als korrupt und erledigt brandmarken.

Jetzt können wir es uns vorstellen, nach den Ergebnissen dieser Landtagswahlen – und der unseligen Rolle, die die CSU in den Monaten zuvor gespielt hat. Wenn man verstehen will, wie man das hiesige demokratische System beinahe so effektiv aufs Kreuz legen kann wie Trump oder Palin in den USA, der musste in den vergangenen drei Monaten nur Parteichef Horst Seehofer und Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber beim Taktieren zuschauen.

Ihre CSU ist in Berlin an der Regierung beteiligt. Weil man aber verhindern wollte, dass rechts von den Christsozialen etwas wie die AfD in Bayern groß werden kann, hat man sich dazu entschieden, Russlands Präsident Wladimir Putin zu hofieren, Kanzlerin Angela Merkel mit leeren Drohungen vom Regieren abzuhalten und dabei so zu tun, als sei man überhaupt nicht an ebendieser Regierung beteiligt, der die Kanzlerin vorsteht. Das höhlt die demokratischen Institutionen aus. Stoiber und Seehofer haben so die AfD in Deutschland stark gemacht, niemand sonst. Das bleibt ihr historischer Unverdienst, eine Schmach für die Demokratie.

 

Die Bayern haben schon immer ihre Interessen als die wichtigsten unter dem weiß-blauen Himmel aufgefasst. Seehofer und Stoiber haben es daher bewusst in Kauf genommen, ja gewollt, dass die CDU in den westdeutschen Bundesländern baden geht. Indem die CDU-Kandidaten in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, Julia Klöckner und Guido Wolf,  auf diesen Anti-Merkel-Kurs aufgesprungen sind, sind sie in die Falle der gerissenen Bayern getappt: die Wähler haben dieses illoyale Verhalten nicht goutiert. Seehofer und Stoiber haben mit Klöckner auch noch ganz nebenbei eine Zukunftshoffnung der CDU filetiert, was ihrer Auffassung nach Platz macht für einen Hoffnungsträger aus ihren Reihen. Vielleicht spekuliert Seehofer ja doch noch heimlich auf die Kanzlerschaft, wer kann das schon sagen. die Lage ist unübersichtlich, denn der erratische CSU-Chef ist nicht erst seit heute Volkstribun, eine deutsche Version von Trump, sondern schon seit etlichen Jahren.

 

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