Görlachs Gedanken

Die absurde Zukunftsangst der Deutschen

Nehmen Roboter Arbeitsplätze weg? Selbstverständlich, das bringt der technologische Fortschritt eben mit sich. Doch die omnipräsente Zukunftsangst ist keine Lösung.

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Sonntagabend: Bei Anne Will wird über Roboter und Künstliche Intelligenz diskutiert - und dabei tritt großes Elend zu Tage. Die Furcht vor dem Arbeitsplatzverlust wird geschürt. Ein Psychiater erklärt, warum digitale Medien für Kinder schlecht und daher dringend zu verbieten seien. Internet-Aktivist Sascha Lobo und FDP-Chef Christian Lindner argumentieren dagegen. Deren Tenor ist, dass man Wandel gestalten solle und nicht durch Dämonisierung des Neuen eine Art Vakuum schaffe, in dem der Ruf nach Wandel nicht mehr hörbar sein würde.

Alexander Görlach ist Affiliate der Harvard University. Quelle: Lars Mensel / The European


Zur selben Zeit bereitet sich der EU-Digitalkommissar Günther Oettinger auf die Amtsübernahme im Haushaltsressort vor. Der schwäbische Politik war zuletzt unangenehm aufgefallen durch Forderungen, die seinen aktuellen Aufgabenbereich, die digitale Wirtschaft, quasi über Nacht verschwinden lassen würde: Das Verschicken von Links, den Bausteinen des World Wide Web, solle nicht mehr möglich sein. Die Agenda des Digital-Politikers sieht ohnehin so aus, als hätten die Vorstandschefs der deutschen Zeitungsverlage sie gemalt. Diesen liegt der digitale Wandel, wie manch anderer Branche auch, schwer im Magen. Die Politik soll es richten und wenn man den Wandel schon nicht aufhalten kann, dann will man ihn wenigste torpedieren und solang nach hinten rausschieben wie es nur irgend möglich ist.

Hilfe, ein Roboter klaut meinen Job!


Klar ist, dass Deutschland und Europa mit dieser Geisteshaltung in der Welt von morgen nicht weiter werden bestehen können. Das europäische Zeitalter neigt sich einem Ende zu, wenn seine Protagonisten in Brüssel und den Hauptstädten der Union die Einstellung eines Günther Oettinger an den Tag legen. Der Wohlstand Deutschlands beruht auf Vorreitertum in Sachen Technologie. Der Status Quo ist herausgefordert durch den digitalen Wandel: neue Akteure können neu erworbenes Wissen nutzen, um sich vor die Giganten von einst zu setzen und sie zu schlagen. In der Alten Welt herrscht Protektionismus, der das Gewachsene vor den Einfällen des Neuen und Innovativen beschützen soll.


Die Diskussion ist, das war bei Anne Will zu besichtigen, vor allem von Angst geprägt. Die Frage, ob Roboter Arbeitsplätze wegnehmen, ist ohnehin schon falsch, weil reißerisch gestellt. Das Automobil hat die Kutsche und das Pferd ersetzt. Ob da Arbeitsplätze weggebrochen sind. Sicher. Sind neue entstanden? Ja. Nun kann man hier aus der Geschichte lernen und versuchen, genau wie Lobo und Lindner sagen, diesen Wandel durch exzellentes Verstehen zu gestalten. Wie ist es um dieses Ringen um Verstehen bestellt? Nun, in vielen Fällen, in denen in Medien über Künstliche Intelligenz und Roboter gesprochen wird, zeigt die Bildauswahl Arnold Schwarzenegger in seiner Rolle als Terminator, eines Bud Spencer aus Blech mit Stimmungsschwankungen. Passend zur Haltung Günther Oettingers trägt der Untergang Europas das Gesicht Arnold Schwarzenegger. Wenn es um Roboter geht, dann kann doch der Bezugsrahmen für die gesellschaftliche Debatte nicht eine Aktionfilmreihe aus Hollywood sein.


Als Anne Will Christian Lindner vorstellte, da durfte natürlich nicht der Hinweis darauf fehlen, dass er einmal ein Start-Up gegründet hat, was nicht zu einem großen Erfolg wurde. Auch wenn Frau Will meint, dass man auch einmal scheitern dürfe, zeigt die einfache Erwähnung ohne zwingenden Zusammenhang, dass man sich genau das eben in Deutschland immer noch nicht leisten kann. Unternehmerisches Wagnis wird so zum Stigma erklärt. Das ist ebenfalls ein Kennzeichnen verängstigter Gesellschaften. Deutschland wird, wenn die Sendung von Anne Will hier das tatsächliche Diskursniveau des Landes spiegelt, die anstehende Aufgabe nicht meistern können. Im Moment stellt uns kein Roboter ein Bein, sondern wir stellen es uns selber.

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