Görlachs Gedanken
Alexander Görlach. Quelle: David Elmes, Harvard University

Ein muslimischer Feiertag in Deutschland – gerne doch!

Vier Millionen Muslime leben in Deutschland. Damit gehört der Islam de facto zu unserem Land. Ein muslimischen Feiertag ist möglich und wäre ein gutes Zeichen – aber nur, wenn er nicht von oben verordnet wird.

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Ausgerechnet Innenminister Thomas de Maizere hat einen islamischen Feiertag vorgeschlagen, ein Konservativer. Seine Parteikollegen von CDU und CSU sind darüber entsetzt, hatte die Bundeskanzlerin doch gerade wegen ihrer Flüchtlingspolitik herbe Stimmenverluste bei der Bundestagswahl hinnehmen müssen. Danach war überall davon die Rede, die deutsche Politik würde von der AfD getrieben nach rechts rücken.

In einer solchen Situation einen islamischen Feiertag vorzuschlagen, kann man als besonders mutig und von Überzeugung getrieben sehen. Gerade jetzt muss sich die freie Natur der liberalen Demokratie in Deutschland zeigen. Doch so einfach ist es nicht. Die Abneigung der Europäer im Allgemeinen und der Deutschen im Besonderen gegenüber dem Islam ist nämlich nicht etwa eine neue Erscheinung, die mit der Flüchtlingskrise 2015 entstanden und somit kurzlebig wäre. Vielmehr hat sich diese negative Haltung gegenüber dem Islam und Muslimen seit dem 11. September 2001 beständig gesteigert.

Zuletzt gab es sogar Umfragen in einigen europäischen Ländern, in denen sich eine Mehrheit für ein Einreiseverbot US-amerikanischer Prägung für Reisende aus mehrheitlich islamischen Ländern gefunden hätte. Aus heiterem Himmel einen islamischen Feiertag, von oben verordnet, einzuführen, das würde den Muslimen wirklich keinen Gefallen tun.

Die Feiertage in Deutschland werden nahezu alle auf der Ebene der Bundesländer geregelt. Mit Ausnahme des Nationalfeiertags am 3. Oktober und des 1. Mai sind die Feiertage in der Republik christlich geprägt: Ostern, Weihnachten, Christi Himmelfahrt, Pfingsten. Es gibt eine Besonderheit: in katholischen Bundesländern sind spezifische Feiertage wie Allerheiligen und Fronleichnam zusätzlich Feiertage, in protestantischen der Reformationstag Ende Oktober und der Buß- und Bettag im November. An dieser Stelle setzte der Innenminister völlig zurecht an. In Bundesländern, in denen eine bestimmte Anzahl von Muslimen lebt, könne man über eine solche Regelung, einen zusätzlichen Feiertag, nachdenken.

Wer am häufigsten zu Hause bleiben darf
Die Seele baumeln lassen vor dem Reichstagsgebäude in Berlin Quelle: dpa
Potsdam Quelle: dpa
Thüringer Rostbratwürste auf einem Grill Quelle: dpa
Skyline in frankfurt Quelle: dpa
Blick auf den Kölner Dom bei Nacht Quelle: dpa
Traditioneller Maibaum in Dresden Quelle: dpa
Magdeburg Quelle: dpa

Schülerinnen und Schüler des islamischen, jüdischen, katholischen und evangelischen Bekenntnisses können derzeit schon an hohen Feiertagen ihrer Religion, die in ihrem Bundesland kein Feiertag sind, schulfrei bekommen. Dies soll die Wertschätzung vor der religiösen Identität der Schulpflichtigen ausdrücken. Auch das ist richtig und gelebte Praxis. Aber auf Ebenen darüber, für die Gesamtgesellschaft, sind die christlichen Sonn- und Feiertage durch die Verfassung besonders geschützt.

Die entsprechenden Verfassungsartikel stammen aus der Zeit der Weimarer Republik, also aus einer Zeit, in der 95 Prozent der Deutschen einer christlichen Kirche angehörten. Auch heute muss man, vor allem im Westen des Landes, zweifelsfrei von einer durchgängigen christliche Prägung sprechen, an der sich, trotz rückläufiger Gottesdienstbesucherzahlen, kulturell nichts geändert hat. Im Osten des Landes sind die Christen mit nicht mehr als 20 Prozent Bevölkerungsanteil das Salz in der Suppe. Umringt von Neonazis, Ex-SED‘lern und Gottlosen bringen sie den bewundernswerten Mut auf, im Stammland der lutherischen Reformation und an der Wirkungsstätte von Johann Sebastian Bach den christlichen Glauben zu bewahren und in eine Zukunft hinüberzuretten.

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