Es geht überhaupt nicht um ein konkretes Politikfeld. Es geht um ein Gefühl. Ein Gefühl der Angst, der Furcht, die sich kanalisiert. Es ist eine Angst vor dem Islam und den Muslimen. Darin ist überhaupt kein rationales Argument zu finden, dass es in der nötigen Debatte um Integration aber geben müsste. Es geht nicht darum, Muslime in unserer westlichen Gesellschaften zu integrieren. Es geht um keine Politik. Es geht, man muss es immer wieder und wieder wiederholen: um Gefühle. Nein, um Instinkte, niedere Instinkte sogar.
Endlich ist da wieder eine Gruppe, die man nach Herzenslust denunzieren und erniedrigen darf. Das ist in sehr vielen westlichen Gesellschaften nach dem 11. September zu beobachten gewesen und hat Jahr für Jahr zugenommen: die Zustimmungswerte in Umfragen, die Muslime und ihre Lebensweise als unvereinbar mit der unseren, der christlichen, der westlichen, betrachten. Dazu gäbe es in der Tat viel zu sagen: zum Beispiel über die wirklichen Integrationswerte von jungen Muslimen in westlichen Gesellschaften.
Für die Bundestagswahl ist klar: eine Politik, die freundlich ist gegenüber Asylsuchenden und Kriegsflüchtlingen wird keine Chance haben. Eine Politik, die sich differenziert mit echten Problemen auseinandersetzt (der Burkini ist kein echtes Problem) wird es schwer haben. Angela Merkel war immer eine Politikerin des sachlichen, nackten, manche würden sagen, kalten Kalküls. Die Aufnahme der Flüchtlinge im vergangenen Jahr geschah, um eine Katstrophe in Europa zu verhindern. Es war der Versuch, eine zuvor, auch durch Versäumnisse der Deutschen auf europäischer Ebene, gescheiterte Flüchtlingspolitik zu korrigieren.
Dass dieser politische Ansatz in Einklang mit der Sittenlehre Kants und der Lehre der Bergpredigt steht, ist großartig, war aber sicher nicht ganz oben auf der Abwägungsliste der Bundeskanzlerin.
Man muss befürchten, dass eine rationale Politik in der nächsten Legislaturperiode nicht mehr gewünscht und daher auch nicht gewählt werden wird. Die Deutschen werden sich an ihren Lagerfeuern dereinst erzählen, wie schön es war, von einer besonnenen und wenig emotional agierenden Kanzlerin regiert zu werden.