Görlachs Gedanken
Alexander Görlach. Quelle: David Elmes, Harvard University

Schulz setzt auf Trump-Bashing – ein Fehler!

Die Kanzlerin und ihr Herausforderer streiten über den richtigen Umgang mit Trump und Erdogan. Der SPD-Kanzlerkandidat arbeitet sich am liebsten am US-Präsidenten ab. Das wird nicht mehr lange funktionieren.

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Merkel lehnt die Rente mit 70 ab. Gilt das also für die nächsten vier Jahre? Was war der überraschendste Moment im TV-Duell? Und warum sprach eigentlich niemand über Wirtschafts- und Finanzpolitik?
von Gregor Peter Schmitz, Marc Etzold, Max Haerder, Thomas Schmelzer

Im Wahlkampf hatte Martin Schulz  bereits das eine oder andere Mal die antiamerikanische Trommel gerührt. Das hat er im TV-Duell wiederholt. Es spricht für die Deutschen, dass sie mehrheitlich die Politik und den Stil des US-Präsidenten ablehnen. Gleichzeitig ist vielen Akteuren auf der politischen Bühne klar, dass wir, so wie die Kanzlerin sagte, die Vereinigten Staaten von Amerika brauchen. Die USA werden von ihr als Friedensmacht betrachtet, die im internationalen Zueinander divergierender Interessen unsere, die europäischen und deutschen Interessen begünstigt.

Rechtspopulisten sind die wahren Gewinner
Unionfraktionschef Volker Kauder"Die Wahl wird nicht in einem TV-Duell entschieden." CDU und CSU gingen nun mit großer Zuversicht in den Schlussspurt des Wahlkampfs, sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Er bezeichnet das Fernseh-Duell als fair. „Demokraten müssen streiten, sie dürfen sich aber nicht herabwürdigen. (...) Das TV-Duell war insofern durchaus vorbildlich.“ Kauder selbst sagte aber, es sei deutlich geworden, „dass Herr Schulz Angela Merkel in dieser schwierigen Weltlage nicht das Wasser reichen kann“. Quelle: dpa
Bundesjustizminister Heiko MaasDer Auftritt von Schulz habe der SPD Mut gemacht. „Martin Schulz und der gesamten SPD wird das Duell Rückenwind geben.“ Schulz sei überzeugend, souverän und leidenschaftlich gewesen, erklärte der SPD-Politiker. Ein schlichtes „Weiter so“ der Kanzlerin reiche nicht. Quelle: REUTERS
Linken-Parteichef Dietmar BartschEr sah das TV-Duell zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Herausforderer Martin Schulz als „großkoalitionäres Therapiegespräch“. „Martin Schulz hat sich nicht von der Union abgesetzt“, sagte Bartsch der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Der Linksfraktionschef warf Schulz vor, nach der Bundestagswahl eine Fortsetzung von Schwarz-Rot als Juniorpartner mittragen zu wollen. „Ich habe immer wieder zum Volleyballspiel Deutschland gegen Russland geschaltet, das war auf jeden Fall deutlich spannender“, sagte Bartsch. Im Duell seien lediglich „großkoalitionäre Scheingefechte“ zu sehen gewesen. Bartsch warf Schulz vor, sich nur für einen Stopp der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ausgesprochen zu haben, weil dies populär sei. Über Alters- und Kinderarmut in Deutschland sei gar nicht gesprochen worden. Für ihn ändere sich für die letzte Phase des Wahlkampfs durch das Duell nichts, sagte Bartsch. Das Motto laute: „Stimmenmaximierung - denn soziale Gerechtigkeit hat eine Adresse: die Linke.“ Quelle: dpa
FDP-Bundesvorsitzender Christian LindnerFDP-Chef Christian Lindner hat sich enttäuscht über das TV-Duell am Sonntagabend zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Herausforderer Martin Schulz gezeigt. „Das Duell erinnerte an Szenen einer alten Ehe, in der es mal knirscht, aber beide Seiten wissen, dass man auch künftig miteinander muss“, sagte Lindner der Deutschen Presse-Agentur. „Das war mehr Vergangenheitsbewältigung als eine Debatte über die Zukunft unseres Landes.“ Kein Wort über die großen Herausforderungen unseres Landes wie Bildung, Digitalisierung, Euro und Innovation. Lindner fügte hinzu: „Jeder weiß, dass Frau Merkel Kanzlerin bleibt, das Rennen um die Plätze 1 und 2 ist gelaufen. Das Rennen um Platz 3 gewinnt dadurch weiter an Bedeutung.“ Denn die drittstärkste Kraft werde entweder ein besonderes Gewicht bei Koalitionsgesprächen haben. Oder die dritte Kraft werde der Oppositionsführer gegen die nächste große Koalition sein. „Das Duell hat nochmals gezeigt, dass eine Opposition mit mehr Esprit und Dynamik dringend nötig ist“, argumentierte der FDP-Chef. Quelle: dpa
Spitzenkandidatin Katrin Göring-EckardtNach dem TV-Duell haben die Grünen SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz einen Mangel an Ideen für die Zukunft vorgeworfen. „Dass von (Kanzlerin Angela) Merkel keine Dynamik für Veränderung kommt, war zu erwarten, aber auch von Martin Schulz kamen keine Impulse für einen echten sozialen und ökologischen Wandel in diesen dramatischen Zeiten“, sagte Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt der Deutschen Presse-Agentur. „Umweltschutz und andere Zukunftsfragen, wie Digitalisierung und Bildung, werden trotz aller Aktualität einfach ignoriert.“ Merkel und ihr Herausforderer Schulz hätten sich am Sonntagabend kein Duell geliefert, sondern ein Duett. Quelle: ZB
Linken-Chefin Katja KippingVom TV-Duell der Kanzlerkandidaten von CDU und SPD profitieren aus Sicht der Linken-Vorsitzenden Katja Kipping vor allem rechte Parteien. „Die wirklichen Gewinner waren die Rechtspopulisten und die Kapitalseite“, sagte Kipping am Montag im ARD-„Morgenmagazin“. „Themen, von denen ich weiß, aus dem direkten Gespräch mit Menschen, die wirklich die Leute umtreiben, sind so gut wie gar nicht vorgekommen.“ Dazu gehöre etwa der Personalmangel sowie der Stress in der Pflege. Über Flüchtlinge sei zudem immer nur als Problem gesprochen worden. „Und auch wichtige Zukunftsthemen wie Bildung oder Klimaschutz kamen nicht vor und das ist wirklich enttäuschend“, kritisierte Kipping. Quelle: dpa
SPD-Kanzlerkandidat Martin SchulzMartin Schulz wünscht sich nach dem TV-Duell mit Angela Merkel (CDU) ein weiteres Aufeinandertreffen mit der Kanzlerin im Fernsehen. „Ein zweites Duell wäre sicher sinnvoll gewesen“, sagt Schulz nach der etwa anderthalbstündigen Debatte am Sonntagabend. „Ich bin auch gerne bereit für ein solches zweites Duell.“ Schulz bedauerte, dass verschiedene Themen zu kurz gekommen seien. „Wir haben ganz wenig über die Digitalisierung diskutiert und Zukunftsfragen“, sagte Schulz. „Insgesamt hab ich den Eindruck, dass es ein faires Duell war.“  Quelle: dpa

Der Herausforderer von Kanzlerin Merkel arbeitete sich an den Tweets des US-Milliardärs ab – ohne am Ende konkret werden zu können oder zu wollen, wie denn die transatlantische Partnerschaft erhalten und neu gegründet werden soll, kurzfristig und mittel- und langfristig in einer Welt ohne Donald Trump als Präsident. Merkel konnte da auf ihre Glückwunsch-Depesche verweisen, die sie Herrn Trump nach dem Wahlsieg überstellen ließ. Nur auf Grundlage gemeinsamer Werte, so war da zu lesen, werde die transatlantische Zusammenarbeit in seiner Amtszeit weiterhin funktionieren. Das transatlantische Bündnis wird also ein von Werten geleitetes sein oder es wir gar nicht sein. Das ist kernig und wird vom Wahlvolk nachvollziehbar sein. An ihren Werken werdet ihr sie erkennen.

Wenn es um Leadership in den internationalen Beziehungen geht, wollte Herr Schulz einen Punkt gegen die Kanzlerin machen: die Beitrittsgespräche der Türkei zur Europäischen Union möchte er beenden. Auf dem Weg dorthin sollten auch alle finanziellen Mittel, die den Prozess zwischen Ankara und Brüssel begleiten, eingefroren werden. Es ist völlig richtig, dass Machthaber Erdogan sein Land aus der internationalen Wertegemeinschaft führt, „Gegenputsch“ war das Wort, das der Herausforderer im TV-Duell verwendete. Man wolle und solle gegenüber Erdogan nicht als Leisetreter auftreten, antwortete die Kanzlerin. Gleichzeitig war es ihr sichtlich zuwider, im Verlauf des Gesprächs mit Martin Schulz mitziehen und sich für eine krassere Gangart gegenüber Ankara aussprechen zu müssen.

Das Vakuum, das durch die aktuelle US-Regierung in den internationalen Beziehungen entsteht, macht eben keineswegs Halt vor der Rolle des Nato-Partners Türkei und seinem Gebaren auf dem globalen Parkett. Auch in der Nordkorea-Frage ist Donald Trump das Menetekel an der Wand. Hier sind sich Merkel und Schulz einig, dass eine friedliche Lösung mit diplomatischen Mitteln unter allen Umständen zu versuchen seien. Die Kanzlerin ist eine bekennende Multilateralistin, Martin Schulz sorgt sich hingegen weiter um die Tweets von Trump.

Rex Tillerson, den US-Außenminister, lobt Martin Schulz ausdrücklich, nur um die Distanz zu Donald Trump zu erhöhen. Das Trump-Bashing wird dem Kanzlerkandidaten der SPD im Wahlkampf nicht helfen. Auch hier wird es am Ende für den nächsten Kanzler, die nächste Kanzlerin nur möglich sein, mit diplomatischem Mitteln, eine wertebasierte gemeinsame Politik zu formulieren und umzusetzen.

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