Seit dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen hat die seit Jahren sedierte deutsche Politik wieder etwas Pepp. Leider an einer Stelle, wo sie ihn nicht gebrauchen kann: die Grünen verbreiten das Märchen, die Liberalen wären in unhöflicher Manier vom Verhandlungstisch aufgestanden, um nicht regieren zu müssen.
Sie verschleiern damit, dass sie es, wie 2013 auch, wegen einer maximal-losen Kanone Jürgen Trittin nicht geschafft haben, eine Bundesregierung zu bilden. Während sich die FDP gegen üble Nachrede der Öko-Gerechten und das Heer von schwarz-grünen Journalisten verteidigen muss, die sich schwarz-grün als Wunschkoalition schon seit Jahren herbeiwünschen, tut die Kanzlerin: nichts.
Weder in den Sondierungen noch nach ihrem Scheitern sind von Frau Merkel Worte zu hören, die zur Versöhnung aufrufen, die weitere Spaltung verhindern. Sie lässt die Vertiefung in den Gräben der deutschen politischen Landschaft zu, weil ein Hinabsteigen dorthin, nicht nur im Ausland, für eine Kaiserin als unwürdig erachtet werden würde. Damit verschwindet allerdings nicht nur der Nimbus einer christlichen Regentin, der ihr seit der Flüchtlingsrettung zugesprochen wurde, sondern auch die Aura von salomonischer Klugheit und Ausgewogenheit.
Wenn Deutschland erst einmal keine neue Bundesregierung hat, sondern Frau Merkel sich im Parlament wechselnde Mehrheiten besorgen muss, wird sich zeigen, wie viel von dem wirtschaftlichen Erfolg der vergangenen Jahre wirklich der Regentschaft der Kanzlerin zugesprochen werden kann. Es ist klar, warum Frau Merkel diese Variante nicht bevorzugt: Sollte die Wirtschaft in einem von der Union als unstabil gebrandmarkten Zustand genauso gut oder gar besser agieren können, dann stünde fest: Die Kaiserin trägt überhaupt gar keine Kleider.
Für den Rest der freien Welt ist diese von Frau Merkel herbeigeführte Lage mehr als misslich und hat alles Potential zu eskalieren. Die kecke Adresse aus England, das durch einen erlogenen Brexit das Modell der liberalen Demokratie in Richtung Klippe navigiert hat, ist nur der Anfang: Im Weißen Haus sitzt ein Misanthrop, der für Frauen, nicht nur in Führungspositionen, nichts übrig hat. Und die Bedrohung des freien Westens durch Russland und China ist über Nacht nicht weniger geworden. Der Westen bräuchte im Moment nichts mehr als eine kluge Anführerin. Nun ruht alle Hoffnung auf Paris.