Griechenland SPD lehnt Regeln für Euro-Austritte ab

Was tun mit EU-Krisenstaaten wie Griechenland, die Reformen verweigern? Kölner Forscher plädieren für ein Regelwerk mit harten Sanktionen – bis hin zum Euro-Ausschluss. Davon hält die SPD aber rein gar nichts.

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Griechische Euro-Münzen: Athen will Reformen aufkündigen, aber im Euro bleiben. Das sorgt für Unmut. Quelle: dpa

Berlin Der SPD-Bundesvize Thorsten Schäfer-Gümbel sieht keine Veranlassung, nach der Griechenland-Wahl einen rechtlichen Weg für einen Euro-Austritt zu schaffen. „Ich halte nichts von solchen Drohkulissen. Ein Austritt eines Landes aus dem Währungsraum oder gar der faktische Rauswurf durch die EZB hätten politisch, wirtschaftlich und vor allem psychologisch direkte negative Konsequenzen“, sagte Schäfer-Gümbel dem Handelsblatt (Online-Ausgabe).

Schäfer-Gümbel trat damit einem Vorstoß des deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung entgegen. IW-Experten hatten in einer Studie einen konsequenten Kurs gegenüber reformunwilligen EU-Krisenstaaten angemahnt und vorgeschlagen, Hilfszahlungen des Euro-Rettungsschirms auch dann einzustellen, wenn ein Land in der Folge aus der Europäischen Währungsunion auszutreten drohe. Mögliche „gravierende ökonomische Folgen“ eines solchen Euro-Austritts könnten aus Sicht der IW-Forscher abgemildert werden, wenn die europäische Politik den rechtlichen Weg für einen Austritt aus der Währungsunion eindeutig definierten.

„Ich halte stattdessen viel mehr von verstärkten Investitionen in Wachstum und Beschäftigung in Europa, um die Krise zu bekämpfen“, betonte der SPD-Vize. Und man müsse für die Krisenländer Geschäftsmodelle entwickeln. „Deutschland hat seit einigen Jahren zu viel übers Sparen geredet, einige andere europäische Länder zu wenig über Reformen“, sagte Schäfer-Gümbel. „Beides muss anders werden, wenn es besser werden soll.“

Der Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, nannte die IW-Überlegungen, Sanktionen an eine „Reformerfüllungsquote“ zu knüpfen, ein „völlig verfehltes“ Konzept. „Zum einen ist der neoliberale Ansatz vor aller Augen gerade krachend gescheitert“, sagte Horn dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). „Zum zweiten schafft das Konzept einer offenen Währungsunion eine permanente Unsicherheit, die geradezu als Einladung zur Spekulation verstanden werden kann.“


Wirtschaftsforscher warnt vor Schuldenschnitt für Griechenland

Horn wandte sich mit Blick auf Griechenland auch gegen einen möglichen neuen Schuldenschnitt, den er als „überflüssig und schädlich“ bezeichnete. Er sei überflüssig, weil nach Berechnungen seines Instituts bei der derzeitigen Zinshöhe schon ein geringes Wachstum ausreiche, um die Schuldenstandsquote zu reduzieren. Er sei zudem schädlich, weil er nicht Spekulanten treffe, sondern primär Steuerzahler, die versucht hätten, zu helfen. „Damit gerät die politische Unterstützung für Griechenland in Gefahr“, warnte der IMK-Chef.

Außerdem disqualifiziere dies Athen sofort beim Aufkaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB). „Das dürfte zu gravierenden Rückwirkungen auf den Finanzmärkten führen“, sagte Horn. Voraussetzung für die Vermeidung eines Schuldenschnitts sei allerdings, dass der harte Sparkurs aufgegeben werde. „In diesem Punkt sollte Europa die Forderung von Syriza erfüllen.“

Am Dienstag hatte der neue Regierungschef Alexis Tsipras sein Kabinett vorgestellt. Der Vorsitzende der Linkspartei Syriza ernannte den Ökonomen Yanis Varoufakis zum Finanzminister. Er gilt ebenfalls als Kritiker der Sparpolitik.

Vize-Regierungschef wird das langjährige Syriza-Mitglied Yanis Dragasakis. Er wird Griechenland neben dem Finanzminister in den Verhandlungen mit den internationalen Geldgebern vertreten.

Neuer Außenminister wird der parteilose Politologe Nikos Kotzias. Das Verteidigungsressort geht an Panos Kammenos, den Vorsitzenden der rechtspopulistischen Partei „Unabhängige Griechen“, die gemeinsam mit Syriza die Regierungskoalition bildet.

Griechenland steht vor wichtigen finanzpolitischen Entscheidungen. Das zweite Hilfsprogramm läuft Ende Februar aus. Weitere Mittel müsste das Land beantragen, sähe sich dann aber auch neuen Reformvorgaben gegenüber. Tsipras will den Sparkurs dagegen lockern und einen Schuldenerlass erreichen.

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