GroKo Der Druck wächst, einen Ostdeutschen zum Minister zu machen

Alle Ministerposten sind bisher mit Politikern aus Westdeutschland besetzt. Ostdeutsche Ministerpräsidenten kritisieren das scharf.

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Dietmar Woidke, der Ministerpräsident von Brandenburg, fordert einen ostdeutschen Bundesminister. Quelle: dpa

Berlin Die ostdeutschen Ministerpräsidenten wollen mehrheitlich nicht akzeptieren, dass nach den bisher kursierenden Listen alle künftigen Bundesminister aus Westdeutschland stammen. „Selbstverständlich muss ein Ostdeutscher - am besten: eine Ostdeutsche - ins Bundeskabinett“, verlangte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). „Dazu wird es noch einige Gespräche geben. Und ich rate: Lieber in Ruhe und gut überlegt, als überstürzt und verstolpert“, sagte er dem Handelsblatt.

Zuvor hatten bereits Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) und Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) das Fehlen ostdeutscher Politiker im neuen Kabinett kritisiert.

Auch die bisherige Ostbeauftragte Iris Gleicke (SPD) verlangte „eine starke, kompetente Stimme für den Osten, die sich dafür einsetzt, Innovationen, Forschung und Entwicklung in Ostdeutschland voranzubringen“. Mit dem Auslaufen des Solidarpaktes stünden die Ostförderung sowie auch die Regionalpolitik vor einer grundlegenden Neuorientierung, sagte sie dem Handelsblatt. „Wir brauchen gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland und dafür ist ein effektives, gesamtdeutsches System zur Förderung strukturschwacher Regionen in Ost und West notwendig“, sagte sie.

In Ostdeutschland forschende Ökonomen wiederum sind uneinig, wie wichtig die ostdeutsche Repräsentanz im vierten Kabinett Merkel (CDU) ist. Grundsätzlich gelte zwar, dass immer der oder die Beste für ein Amt ausgewählt werden sollte, unabhängig von regionaler Zugehörigkeit: In der Politik sei dies aber nicht das einzige Kriterium, sagte Oliver Holtemöller vom IW-Halle dem Handelsblatt: „Das AfD-Wahlergebnis gerade im Osten zeigt, dass Vertrauen und Zusammenhalt in der Gesellschaft in Gefahr sind“, gab er zu bedenken. „In dieser Situation wäre es gut, für eine ausgewogene Repräsentanz der Regionen in der Regierung zu sorgen. Wenn die  Ost-Ministerpräsidenten dies verlangen, zeigt das, dass dies bisher für die neue Große Koalition nicht gelungen ist“, sagte er.

Sein Ökonomen-Kollege Joachim Ragnitz vom Ifo-Institut Dresden widersprach dem allerdings vehement: „Erstens ist für die Wahrung der Interessen des Ostens der Gesetzgeber zuständig, also Bundestag und Bundesrat, und da sind die ostdeutschen Länder nun wirklich ausreichend repräsentiert“, sagte er dem Handelsblatt. „Und zweitens sollte für die Besetzung der Ministerämter Sachkenntnis, nicht aber regionales Proporzdenken ausschlaggebend sein – insoweit ist die Forderung einiger ostdeutscher Ministerpräsidenten nach einem Bundesminister mit ostdeutscher Herkunft nun wirklich nicht zielführend“, sagte Ragnitz.  Selbst der Posten eines „Beauftragten für die neuen Länder“, wie zuweilen noch gefordert, erscheint ihm 28 Jahre nach der Wiedervereinigung  nicht mehr zeitgemäß. Er sieht im Koalitionsvertrag zudem eine ganze Reihe von Vorhaben, von denen Ostdeutschland besonders wird profitieren können. „Kurzum: Die ganze Debatte erscheint mir ziemlich überflüssig“, sagte Ragnitz.

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