Groko oder Neuwahlen? Die schwere Geburt der neuen Bundesregierung

Der Moment der Entscheidung rückt näher: Können sich Union und SPD auf Verhandlungen für eine neue Bundesregierung einigen? Oder gibt es einen neuen Lindner-Moment? Vier Szenarien für die politische Zukunft des Landes.

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Das Ende der GroKo-Sondierungen markiert eine wichtige Fortschritt auf dem Weg zu einer neuen Bundesregierung. Quelle: dpa

Berlin Die fünftägigen Sondierungsgespräche von CDU, CSU und SPD gehen Donnerstagnacht zu Ende. Damit stellt sich die Frage, wie es bei möglichen Koalitionsverhandlungen oder gar einem Scheitern weitergeht. Eine Verlängerung der Gespräche haben Union und SPD bisher ausgeschlossen. Ein Überblick über mögliche Szenarien:

Die GroKo

Auch nach der Entscheidung am Donnerstag gibt es noch Hürden: Die Parteimitglieder haben mehr als ein Wörtchen mitzureden, vor allem bei der SPD Erste Voraussetzung dafür ist, dass die drei Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Martin Schulz (SPD) nach Donnerstag ein für ihre Parteien überzeugendes Sondierungspapier vorlegen. Bisher betont die SPD, dass die Gespräche „ergebnisoffen“ seien. Hat die SPD den Eindruck, genügend eigene Forderungen durchsetzen zu können, soll es eine positive Empfehlung an den Parteivorstand geben, der am Freitag dann Koalitionsgesprächen zustimmen müsste.

Danach warten zwei weitere Hindernisse: Am 21. Januar muss ein SPD-Parteitag der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zustimmen. Am Ende sollen dann die Partei-Mitglieder über einen Koalitionsvertrag entscheiden. Gibt es auf beiden Ebenen ein „Ja“, steht der Bildung einer dritten großen Koalition unter Kanzlerin Merkel nichts mehr im Wege. Denn die mehrheitliche Zustimmung bei CDU und CSU gilt im Falle einer Einigung mit der SPD als sehr wahrscheinlich – auch wenn etwa der Wirtschaftsflügel der Union bereits über erwartete Zusagen an die Sozialdemokraten klagt.

„Jamaika zwei“

Sollten alle Gespräche mit der SPD scheitern, könnte es theoretisch auch einen zweiten Anlauf zur Bildung einer Jamaika-Koalition aus CDU, CSU, Grünen und FDP geben. FDP-Vize Wolfgang Kubicki hat zumindest darauf verwiesen, dass die Liberalen in einer solchen Lage neu überlegen müssten.

Auch aus der Wirtschaft kam Kritik, dass die Liberalen die Jamaika-Sondierungen abgebrochen hatten. Allerdings schließt Christian Lindner neue Gespräche bisher kategorisch aus. Der FDP-Chef knüpfte auf dem Dreikönigstreffen seiner Partei eine Regierungsbildung an das Ende der Ära von Angela Merkel. Doch dafür scheint die Union nicht ansatzweise bereit zu sein. Deswegen müssen auch für Lindner vor einem neuen Jamaika-Versuch Neuwahlen stattfinden. Der Weg für Schwarz-Gelb-Grün ist also weit und steinig, die Option ist derzeit also unwahrscheinlich.

Minderheitsregierung

Sollte es keine Einigung zwischen Union und SPD und keine Neuauflage der Jamaika-Sondierungen geben, könnte die Debatte über eine Minderheitsregierung zurückkehren – mit verschiedenen Varianten. So hatte der Vorsitzende der SPD-Linken, Matthias Miersch, eine Kooperations-Regierung ins Gespräch gebracht – die die Union aber ablehnt. Bei dieser Variante würde die SPD in eine Regierung eintreten, Ministerposten besetzen – aber nur einige Vorhaben mittragen. Gleichzeitig Regierung und Opposition sein, gehe aber nicht, hatte etwa die CSU erwidert.

Wahrscheinlicher ist in diesem Szenario deshalb ein anderer Weg: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier setzt eine Kanzlerwahl im Bundestag an, bei der Merkel zur Kanzlerin einer Minderheitsregierung gewählt wird. Eine Unions-geführte Minderheitsregierung könnte dann entweder Absprachen mit FDP, Grünen oder SPD über eine Teilunterstützung oder eine „Duldung“ treffen.

Merkel hält von all diesen Varianten wenig und strebt schon wegen der internationalen Verantwortung Deutschlands etwa in der EU eine „stabile Regierung“ an. Am deutlichsten wurde CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt: „Eine Minderheitsregierung kann nur ein kurzer Übergang zu Neuwahlen sein“, sagt er. Eine Minderheitsregierung müsste „schnellstmöglich“ beendet werden.

Neuwahlen

Schaffen es die im Bundestag vertretenen Parteien nicht, eine Regierung zu bilden, oder würde sich eine Minderheitsregierung sehr schnell als handlungsunfähig erweisen, müsste Bundespräsident Steinmeier Neuwahlen einzuleiten. Weil dieser Weg nicht ausgeschlossen ist, müssen die Parteien sich auch darauf schon vorbereiten. Noch ist offen, ob etwa die FDP, die sich der Regierungsbildung verweigerte, dann eher abgestraft wird oder profitieren kann.

Als große Unbekannte gilt zum anderen, welches Ergebnis die rechtspopulistische AfD nach einem Scheitern aller Gespräche zur Regierungsbildung erzielen würde. Sie könnten argumentieren, dass die etablierten Parteien versagt hätten und damit auf Stimmenfang gehen.

Die Grünen könnten eventuell davon profitieren, dass Union, SPD und FDP von den nationalen Klimaschutzzielen 2020 abrücken. Die CDU setzt bisher darauf, davon profitieren zu können, dass die Union Kompromisse für eine Regierungsbildung eingegangen wäre und sich staatstragend gezeigt habe. Merkel hat angekündigt, bei Neuwahlen erneut Spitzenkandidatin der Union sein zu wollen. Die CSU zumindest wäre für Neuwahlen gewappnet: Sie muss ohnehin in den Wahlkampf zur bayerischen Landtagswahl am 14. Oktober.

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