GroKo SPD-Chef Schulz warnt seine Partei vor Neuwahlen

Martin Schulz ruft die Parteimitglieder zu einem

Vor dem SPD-Parteitag appellieren die Befürworter einer großen Koalition an die Delegierten. Ralf Stegner kündigt bei einer neuen "GroKo" eine härtere Gangart der SPD an.

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Zwei Tage vor dem SPD-Parteitag warnen Befürworter von Koalitionsverhandlungen vor schwerwiegenden Folgen einer Ablehnung für Europa, Deutschland und die Sozialdemokratie. Mit einem generationen- und flügelübergreifenden Appell wandten sich Politiker aus Bund und Ländern am Freitag an die Delegierten und forderten sie zu einem Ja zu Verhandlungen auf. Auch Europas Sozialdemokraten und Sozialisten dringen nach den Worten des Generalsekretärs der sozialdemokratischen Parteienfamilie in Europa (SPE), Achim Post, auf ein "Ja". SPD-Chef Martin Schulz warnte seine Partei unterdessen vor den Gefahren von Neuwahlen, sollte er sich mit seiner Linie nicht durchsetzen.

Bei einer Ablehnung von Koalitionsverhandlungen würde es ziemlich rasch zu Neuwahlen kommen, sagte Schulz dem "Spiegel". Die SPD müsse dann mit einem schlechteren Ergebnis rechnen. "Wenn es den Parteien nicht gelingt, mit den Mehrheiten im Bundestag eine Regierung zu bilden, würden sie von den Wählern abgestraft." Zudem müsse die SPD in dem Fall mit einem Programm in den Wahlkampf ziehen, das in großen Teilen mit dem Sondierungsergebnis identisch sei.

Der SPD-Vorsitzende unterstrich, er sei in die Politik gegangen, um zu gestalten. "Ich will nicht, dass die Altenpflegerin vier Jahre auf bessere Arbeitsbedingungen wartet, nur damit sich die SPD wohlfühlt." Zugleich dämpfte Schulz Erwartungen, es könnten in den Koalitionsverhandlungen Änderungen an der Sondierungsvereinbarung mit der Union erzielt werden. Die SPD werde im Rahmen der Koalitionsverhandlungen aber noch viele Themen ansprechen, die den Sozialdemokraten am Herzen lägen.

"Das Votum des SPD-Parteitages wird überall in Europa mit Hoffen und Bangen verfolgt", mahnte SPD-Fraktionsvize Post . Er bekomme mehr und mehr besorgte Anrufe, in denen die SPD gedrängt werde, Koalitionsverhandlungen zuzustimmen, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. "Alle wollen ein 'Ja' des Parteitags." Post mahnte, dass die SPD eine große europäische und internationale Verantwortung habe. In dem Sondierungspapier habe die Partei weitreichende Regelungen zu Europa durchsetzen können.

Landesminister, Vizefraktionschefs im Bundestag und Mitglieder des Parteivorstandes betonen unterdessen in ihrem gemeinsamen Aufruf, die SPD habe in den Sondierungen konkrete Verbesserungen etwa in der Arbeitsmarkt-, Gesundheits-, Renten-, Bildungs- und Europapolitik durchsetzen können. Die SPD solle daher selbstbewusst in Verhandlungen über eine große Koalition eintreten.

Der Sonderparteitag berät am Sonntag in Bonn über die Empfehlung der Parteiführung, in Koalitionsverhandlungen einzusteigen. Der Ausgang der Abstimmung ist angesichts großer Vorbehalte gegen eine erneute große Koalition ungewiss. Insbesondere die Jusos machen Front gegen eine Neuauflage des Bündnisses und sehen gute Chancen, dass ihre Position eine Mehrheit findet. Viele Landesverbände geben in dieser Frage derzeit ein Bild der Zerrissenheit ab.

Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner kündigte für den Fall einer erneuten großen Koalition eine härtere Gangart der SPD an. Stegner bezog sich auf die bereits im Koalitionsvertrag von 2013 vorgesehene Lebensleistungsrente sowie das Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit, die nie realisiert wurden. "Diese Form von Vertragsbruch werden wir uns nicht noch einmal gefallen lassen", sagte er "Focus Online". Zugleich unterstrich Stegner, die SPD habe "wichtige Erfolge" in den Sondierungen erzielt.

Ähnlich äußerte sich die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer im ZDF. Man müsse aber über alle Themenfelder noch einmal sprechen. So gebe es außer der Bürgerversicherung noch andere Ansatzpunkte, um das Gesundheitssystem gerechter zu machen. Zugleich widersprach Dreyer Kritikern einer Neuauflage der "GroKo", die eine Erneuerung der SPD in der Opposition für zwingend halten. "Oppositionsromantik ist auch keine Lösung", sagte sie dem "Spiegel". Erneuerung sei aus ihrer Sicht auch als Teil einer Regierung möglich.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund stellte sich erneut hinter das Sondierungsergebnis, das eine gute Grundlage für Verhandlungen biete. DGB-Chef Reiner Hoffmann sprach von einer guten Grundlage für Verhandlungen. Falls der SPD-Parteitag Koalitionsverhandlungen ablehne, drohe Chaos.

Im ZDF-Politbarometer zeigt sich die Mehrzahl der Befragten allerdings überzeugt, dass das Ergebnis der Sondierungen wesentlich die Handschrift der Union trägt. Nur 24 Prozent waren der Ansicht, dass sich die SPD durchgesetzt habe. Streit gab es am Freitag etwa über das Zwei-Prozent-Ziel der Nato bei den Verteidigungsausgaben, zu dem sich die Union im Bundestag bekannte. Die SPD dringt auf Nachbesserungen bei der Regelung zum Familiennachzug für Flüchtlinge.

Fast zwei Drittel (64 Prozent) der Deutschen erwarten laut der ZDF-Umfrage, dass die SPD am Sonntag den Weg für Koalitionsverhandlungen freimacht. In den Reihen der SPD-Anhänger glauben das sogar 75 Prozent. 45 Prozent fänden eine neue Regierung von CDU/CSU und SPD gut, 36 Prozent dagegen schlecht. Unter den Unions-Anhängern seien 68 Prozent für das Bündnis, bei den SPD-Anhängern 57 Prozent.

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