Große Koalition So tickt der künftige Finanzminister Olaf Scholz

Olaf Scholz (SPD) Quelle: dpa

Nüchtern, pragmatisch und sehr, sehr selbstbewusst: Hamburgs Noch-Bürgermeister dürfte im Berliner Finanzministerium eine prägende Figur der großen Koalition werden.

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Der Mann vorne am roten Pult strahlte Souveränität und Beherrschung aus. Kritische Fragen? Wurden mit kühler Schärfe retourniert, mit ironischer Beiläufigkeit abgebügelt, hier und da sogar ein klein wenig belächelt. Tja, Fachkenntnisse müsste man haben… Nichts, gar nichts sah nach Wackeln oder Wanken aus. Die Botschaft war klar: Kurs setzen – und halten.

Man hätte im Sommer 2017 schon ahnen können, was auf Olaf Scholz zukommt. An jenem Montag im Juni stahl der Hamburger Bürgermeister seinem Parteichef und Kanzlerkandidaten Martin Schulz mal eben den großen Auftritt. Im Willy-Brandt-Haus stellten die beiden gemeinsam das SPD-Steuerkonzept vor, aber es war eindeutig Scholz, nicht Schulz, der den sattelfesteren Eindruck machte.

Der Regierungschef an der Elbe hätte von sich selbst sicher auch nichts anderes erwartet. Scholz verfügt, selbst auf einer nach oben offenen Spitzenpolitiker-Skala, über ein höchst ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Er hat jahrelang als Ministerpräsident mit Wolfgang Schäuble federführend die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen verhandelt. Nun soll er im Fall einer neuen großen Koalition Schäuble im Amt nachfolgen: als Finanzminister und auch als Vizekanzler. Scholz, der starke Mann der künftigen Bundesregierung also.

Als die WirtschaftsWoche Scholz vor gut zwei Wochen am Rande des SPD-Parteitags zum Gespräch traf, blockte er noch jede Frage nach seiner Zukunft ab. „Sie wissen, dass ich sehr gerne Bürgermeister bin.“ Und: Wer sich mit Kabinettslisten beschäftige, sei unseriös. Gleichzeitig aber machte er seinen Anspruch mitzumischen mehr als deutlich. Die SPD müsse „so auftreten, dass die Bürgerinnen und Bürger sagen: Denen kann man das Land anvertrauen“. Natürlich meinte Scholz damit auch sich selbst. Er vergaß nicht zu erwähnen, dass das Steuersenkungskonzept der großen Koalition „eng“ dem SPD-Konzept folge – also seinem. Und auch zu einer deutschen Reaktion auf Donalds Trumps aggressive Steuerpolitik hatte er eine klare Meinung: nur nicht hektisch werden.

Diese Ruhe wird Scholz wohl schon bald an der Berliner Wilhelmstraße, dem Sitz des BMF, ausstrahlen wollen. Er wird sich dort aber auch wieder an das grellere, aggressivere Licht der Hauptstadtmedien gewöhnen müssen, die ihn einst als hölzernen SPD-Generalsekretär zum „Scholzomat“ stempelte. Scholz mag eben feine Ironie, pflegt eine hanseatische Kühle und fühlt sich seinen Gegenübern selten unterlegen – alles Eigenschaften, die sich in Berlin schnell gegen einen wenden können.

Zur Person

In der Hansestadt regiert „König Olaf“ bislang unangefochten – so unangefochten allerdings, dass es irgendwann zum Problem wurde. Scholz‘ flapsige Sprüche im Vorfeld des G20-Treffens 2017 führten ihn an den Abgrund eines Rücktritts. Im Kontrast zu den bürgerkriegsartigen Protesten der Gipfelgegner wirkte Scholz einige lange Tage lang nicht mehr wie der Mann, der alles im Griff hat, sondern als Tölpel. Zu wenig Konkurrenz in Hamburg hatten ihn sorglos gemacht.

Nun also Berlin. In der Sache wäre es eine ziemliche Überraschung, würde vom 59-Jährigen etwas anderes kommen als nüchterne, pragmatische, moderat-sozialdemokratische Finanzpolitik. Ein höherer Spitzensteuersatz ist mit der Union nicht zu machen, die Erbschaftssteuer ebenfalls tabu, der Abbau des Soli beschlossene Sache. Sollte die Konjunktur einbrechen, dann wird Scholz auch kein Problem damit haben, den Spielverderber für allzu überbordende Etatwünsche zu geben.

Ähnliches gilt für die Europapolitik. Scholz hat zwar als Bevollmächtigter der Bundesregierung für deutsch-französische kulturelle Zusammenarbeit enge Bande ins Nachbarland, er wird den Kampf gegen multinationalen Steuerbetrug forcieren, für ein solidarisches Europa werden – und dennoch: deutsche Finanzsolidität und klare Fiskalregeln wird er in Brüssel genauso wenig preisgeben wie Schäuble.

Wer Führung bestellt, hat Scholz einmal gesagt, der bekommt sie auch. Das ist, typisch, Warnung und Versprechen zugleich.

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