Grüne gegen Grüne „Wenn man keine Ahnung hat, ...“

Boris Palmer geht als Tübinger Oberbürgermeister regelmäßig auf Konfrontationskurs – auch innerhalb der eigenen Partei. Nach der Veröffentlichung eines Buchs geht der Streit um die Flüchtlingsthematik in eine neue Runde.

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Palmers Buch über Zuwanderung und Integration präsentierte Julia Klöckner, die Vorsitzende der CDU in Rheinland-Pfalz, die ähnlich wie Palmer mit kontroversen Äußerungen zur Flüchtlingspolitik für Aufsehen gesorgt hat. Quelle: dapd

Berlin Die Berliner Grünen-Politikerin Canan Bayram hat den Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer wegen dessen umstrittener Thesen zur Zuwanderung attackiert. „Wenn man von einem Thema keine Ahnung hat, und das hat Herr Palmer schon mehrfach unter Beweis gestellt, sollte man dazu schweigen“, sagte Bayram der Deutschen Presse-Agentur. Palmer seien die Bereiche Asylrecht und Rechtsstaatlichkeit offensichtlich fremd. In den Parteigremien, in denen die Grünen beim Thema Zuwanderung um den richtigen Kurs ringen, habe er sich nie eingebracht. „Stattdessen versucht er sich auf eine Art und Weise zu profilieren, die von der Mehrheit der Mitglieder nicht mitgetragen wird.“ Das schade der Partei.

Mit seinem am Mittwoch vorgestellten Buch „Wir können nicht allen helfen“ geht Palmer ein weiteres Mal auf Konfliktkurs zu seiner Partei. Während diese eine Begrenzung des Flüchtlingszuzugs ablehnt, weist Palmer darauf hin, dass Deutschland nicht allen 65 Millionen Flüchtlingen in der Welt Asyl gewähren könne.

In Sachen Toleranz hat Palmer seiner Partei ein gutes Zeugnis ausgestellt - allen Streitereien zum Trotz. „Ich weiß nicht, ob alle Parteien tatsächlich so großzügig sind, also auch beim Beschimpfen, aber letztlich im Aushalten von solchen Widersprüchen und Querköpfen“, sagte er am Donnerstag in Berlin. Er stellte dort sein Buch „Wir können nicht allen helfen“ zur Flüchtlingspolitik vor. „Ich habe überhaupt keinen Anlass darüber nachzudenken, mein Parteibuch zurückzugeben - jedenfalls nicht, solange die ökologische Frage ungelöst ist“, ergänzte der 45-Jährige.

Palmers Buch über Zuwanderung und Integration präsentierte Julia Klöckner, die Vorsitzende der CDU in Rheinland-Pfalz, die ähnlich wie Palmer mit kontroversen Äußerungen zur Flüchtlingspolitik für Aufsehen gesorgt hat - unter anderem mit Kritik am Kurs von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Flüchtlingskrise 2015. Als schwarz-grünes Signal wollten die beiden den Termin lieber nicht verstanden wissen. Palmer - in grünem Hemd und schwarzem Anzug - nannte es allerdings einen „strategischen Fehler“, dass die Grünen 2013 nicht mit der Union koaliert hätten.

Vor allem aus dem linken Parteiflügel wird der Schwabe immer wieder heftig angegriffen, im Netz oder kürzlich beim Parteitag in Berlin. Er bekomme auch Zuspruch, versicherte er in Berlin - aber meist nicht öffentlich. Es ärgere ihn vor allem, wenn „dem Argument ausgewichen und dafür die Person ins Visier genommen“ werde.

Über seine vielen und spontanen Botschaften auf Facebook sagte Palmer, bei 60.000 Beiträgen in sechs Jahren seien 500 dabei, die „Stress und Ärger machen, weil man nicht ganz zu Ende gedacht hat“ - das liege „in der Natur der Sache“. Wenn alles von Pressesprechern geprüft und gedrechselt werde, sinke die Leserzahl auf Null. „Und dann kann man es ja auch lassen.“ Bayram hatte Palmer bereits beim Grünen-Bundesparteitag Mitte Juni kritisiert und ihn aufgefordert: „Einfach mal die Fresse halten.“

Der Bundestagsabgeordnete Volker Beck, der sich mit Palmer auch gern mal ausführlich zofft, hielt sich diesmal zurück: „Schön für Boris Palmer, dass er Zeit hat ein Buch zu schreiben“, sagte er der dpa. „Ich hab es bisher nicht gelesen – ich stecke meine Energie lieber in eine menschenrechtlich orientierte Flüchtlingspolitik.“

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