Grüne Der Mann, der die Grünen führen will

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Habeck hat mehr Ideen als er umsetzen kann

Habecks Härte fällt nicht sofort auf, weil er Menschen zunächst mit Ideen einnimmt. Von denen hat er mehr, als sich umsetzen lassen. Die Windmühlen produzieren bei rauem Wetter zu viel Strom? Warum nicht den Überschuss an innovative Unternehmen verschenken? Die könnten ausprobieren, was damit anzufangen ist. Wenn Habeck so was – immer in freier Rede – vorträgt, klingt es zunächst naiv. Doch bei einem Energiekongress in Berlin liefert er sofort Zahlen, warum es funktionieren könnte. „Vieles müsste man einfach mal ausprobieren“, wirbt er. „Politiker behaupten immer, sie wissen, wie es geht, dabei merken die Leute sehr gut, wenn wir uns verschanzen.“

Doch immer wieder zieht er sein Ding durch. Den Bau dreier großer Stromleitungen hat er durchgefochten. Jürgen Trittin, linker Übergrüner und nicht Habecks engster Freund: „Er hat mehr Stromtrassen in Schleswig-Holstein genehmigt, als Horst Seehofer in Bayern verhindert hat.“ Trittin meint: „Das ist eine große Leistung, wenn man sich in harten Konflikten nicht wegduckt, sondern dafür sorgt, dass etwas zustande kommt.“ Ursula Heinen-Esser, Chefin der Bund-Länder-Kommission zur Suche eines Atomendlagers, lobt Mitglied Habeck: „Er geht nicht mit dem Kopf durch die Wand, wenn nebenan eine Tür ist. Er hat Brücken gebaut und war zäh, damit wir überhaupt ein Ergebnis erreichen.“

Auf Konfrontationskurs mit Landwirten

Die Früchte und Fehler seiner Arbeit kann Habeck auch jeden Morgen auf der Fahrt von Flensburg nach Kiel beschauen. Entlang der A 7 reihen sich die Strommasten. Nahe Schleswig steht ein Kühlhaus, dessen Betreiber über die Energiekosten klagt. Habeck meint, der Mann müsse zunehmend nach Börsenpreis einkaufen: Wenn Strom billig sei, müssten die Schweinehälften eben drei Stunden lang auf –70 Grad kühlen, damit sie die nächsten Stunden noch bei unter –50 Grad hingen. „Das ist ganz marktwirtschaftlich“, findet er.

Auf dem Weg ins Ministerium begegnet Habeck auch handfestem Widerstand. Gegen die Landwirte setzte er ein Naturschutzgesetz durch. Sie werfen ihm vor, er benachteilige kleine Tiermäster mit immer neuen Auflagen. Vor einiger Zeit grüßten ihn riesige Transparente auf Heuballen an der A 7: „Guten Morgen, Robert!“ oder „Robert vernichtet Höfe!“. Damals ging Habeck auf Bauerntage und pampte vom Podium zurück, wenn das Publikum ihm Unkenntnis vorhielt.

Landesbauern-Chef Werner Schwarz urteilt: „Er ist ein harter Hund. Einige meiner Kollegen sagen, dass er gefährlich für uns ist.“ Oberbauer Schwarz hat sich arrangiert. „Der Minister kann sich in Rage reden, aber er hat immer Argumente.“ Er beherrsche klare Ansagen. „Damit können wir Bauern umgehen.“

Massenschlachtung schmerzloser machen

Besonders heikel ist seine Beziehung zu Clemens Tönnies. Der Minister holte Deutschlands größten Schlachthofbetreiber ins Land, Tönnies übernahm zwei Betriebe und will ausbauen. Der Grüne lobt, das Vieh müsse nicht mehr stundenlang im Transporter leiden. Für 1,5 Millionen Schweine gebe es sonst nicht genug Schlachtplätze. Im Umfeld Tönnies’ heißt es: „So ein Großbetrieb ist ja das Feindbild eines jeden Grünen, aber hier hat das Amt über den Grünen bestimmt.“ Habeck sagt: „Massenschlachtung ist schwer zu ertragen, aber alles, was sie schmerzloser und hygienischer macht, ist gut.“ Bei Tönnies sagen sie, Habeck wisse, dass er Verbündete brauche. Tönnies selbst ließ den Grünen danach von seiner Stiftung einladen, eine Rede über Tierwohl zu halten.

Habeck sucht seine Auftritte großzügig aus, er will ja bekannter werden. Im September erscheint sein Buch „Wer wagt, beginnt“ – eine politische Autobiografie. Durch wohldosiert Privates erhofft er sich Medienrummel für den heißen Grünen-Wettstreit ab Herbst.

Unvergessen ist bei Begleitern ein Termin, als er mit dem damaligen Bundesumweltminister Peter Altmaier einmal eine Seehundstation in Friedrichskoog besuchte. Habeck strahlte jeden Seehund an und fütterte die Tiere mit Fisch. Bis die Kameras aus waren.

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