Grüne und der Daimler-Chef „Was wir nicht brauchen, ist eine Zetsche-Show“

Einen Monat vor ihrem Bundesparteitag streiten die Grünen über ihren prominenten Gastredner: Dieter Zetsche. Kann ausgerechnet der Daimler-Chef einer ihrer Verbündeten im Kampf gegen den Klimawandel werden?

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Bislang sieht die Ökobilanz von Daimler durchwachsen aus. Quelle: dpa

Berlin Wie viel Annäherung an die Wirtschaft ist erlaubt? Wie viel Austausch ist angemessen? Obwohl die Grünen bereits 2015 auf ihrem Parteitag in Halle die große Freundschaftsoffensive in Richtung Wirtschaft eingeschlagen hatten, dreht sich die Debatte vor ihrem Bundesparteitag im November in Münster abermals um das Verhältnis der Grünen zur Wirtschaft.

Der Grund: Die Einladung von Daimler-Chef Dieter Zetsche durch Parteichef Cem Özdemir, auf dem Parteitag über Klima- und Verkehrspolitik zu sprechen. Das schlägt hohe Wellen bei der Ökopartei. Seit dem Wochenende liefern sich Gegner und Befürworter des Zetsche-Besuchs einen verbalen Schlagabtausch.

„Nix gegen offene Debatte“, twitterte Europa-Politiker Martin Häusling. Aber: „Was wir nicht brauchen, ist eine Zetsche-Show.“ Wenn Zetsche auf dem Parteitag erkläre, warum Daimler-Pkw erheblich Abgaswerte überschreiten und wie er das ändern will, hätte sich die Einladung gelohnt“, argumentiert dagegen Stephan Kühn, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. „Ganz ehrlich Leute“, meint die Landesvorsitzende der Bayerischen Grünen, Sigi Hagl, wie solle die Verkehrswende „denn ohne die Großen“ geschafft werden?

Die Grünen fordern, von 2030 an keine Autos mit Verbrennungsmotoren mehr neu zuzulassen. Das sei die logische Konsequenz aus dem Pariser Klimaschutzabkommen, sagt Robert Habeck, Vize-Regierungschef in Schleswig-Holstein und Anwärter für die Grünen-Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl 2017, dem Handelsblatt. Den Autobauern könne er nur „empfehlen, die Zeichen der Zeit zu erkennen“. CDU und SPD hätten ja im Übrigen im Bundesrat schon dafür votiert, dass spätestens ab 2030 nur noch emissionsfreie Autos zugelassen würden - und zwar EU-weit. In der Tat hatte die Länderkammer am 23. September einen entsprechenden Beschluss gefasst. Die EU-Kommission wurde aufgefordert, sich über ein gemeinsames Steuer- und Abgabensystem Gedanken zu machen. „Der notwendige Umstieg auf Elektromobilität klappt nur mit der Wirtschaft“, ist Özdemir überzeugt.


Kritik an Rüstungsexporten

Bislang sieht die Ökobilanz von Daimler durchwachsen aus. Mit Car2Go sind die Schwaben zwar einer der wichtigsten Anbieter von Carsharing-Diensten. Doch gerade bei der Elektromobilität hinken sie noch hinterher. Bis vor einigen Wochen bot Daimler gerade mal ein Elektroauto an: eine elektrische Variante der B-Klasse, über dessen offizielle Verkaufszahlen der Hersteller lieber den Mantel des Schweigens hüllt.

Immerhin verkündete der Konzern zuletzt aber seine guten Absichten, das Geschäft mit der elektrischen Mobilität deutlich auszubauen. Auf dem Autosalon in Paris präsentierte Daimler seine neue Elektrosubmarke EQ, unter deren Logo in den kommenden Jahren etliche neue Modelle auf den Markt kommen sollen – allerdings frühestens 2018. Früher kommt die elektrische Variante des Smart, für die der Hersteller rund ein Jahr länger brauchte als für die Verbrenner-Variante. In knapp zehn Jahren sollen dann 15 bis 25 Prozent aller verkauften Mercedes- und Smart-Modelle vollelektrisch fahren. Das wären bis zu einer halben Million Stromautos pro Jahr.

Vielen Grünen geht jedoch die Tatsache, dass Daimler auch im Rüstungsgeschäft aktiv ist, zu weit. Der Auftritt eines Konzerns, der sein Geld auch mit Rüstung verdient, sei auf einem Grünen-Parteitag in diesen Zeiten „extrem krude“, meint der Grünen-Landesvorsitzende von Nordrhein-Westfalen, Sven Lehmann. Das Geschäft mit der Rüstung hatte der Konzern indes in den vergangenen Jahren deutlich zurückgefahren – und sich dafür von Altlasten getrennt. Die Beteiligung an EADS wurde 2013 verkauft, auch am Motoren- und Turbinenhersteller Rolls-Royce-Systems ist Daimler seit 2014 nicht mehr beteiligt.

Trotzdem wird weiterhin scharf kritisiert, dass Daimler militärische Transporter und andere Logistikfahrzeuge an Staaten liefere, in denen die Menschenrechte unter Beschuss stehen, darunter Ägypten, Kuwait oder Pakistan. Gebaut werden die Daimler-Militärfahrzeuge unter anderem in Algerien. Ein Umstand der den Dachverband „Kritische Aktionäre“ dazu veranlasste, dem Vorstand zuletzt die Entlastung zu verweigern.

Tatsächlich sei das Geschäft mit der Rüstung deutlich kleiner als in der Vergangenheit, betont der Konzern auf Handelsblatt-Nachfrage. „Bewaffnete Fahrzeuge gehören nicht zu unserem Angebot“, schreibt der Konzern. Der Umsatz mit Nutzfahrzeugen aus dem Sicherheits- und Verteidigungsgeschäft liege bei deutlich unter einem Prozent vom Nutzfahrzeugumsatz. Darüber hinaus halte man die strengen gesetzlichen Beschränkungen für Militärlieferungen ein - und liefere nicht in Krisengebiete. Daimler verfüge über eine „umfassende Exportkontrollorganisation“ und eine „interne Exportkontroll-Richtlinie“ , um Verstöße gegen das geltende Exportkontrollrecht zu verhindern.

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