Grünen-Parteitag Klein, grün und noch etwas verunsichert

Baerbock Habeck Die Grünen Quelle: dpa

Als Opposition im Bundestag bleibt den Grünen wenig Aufmerksamkeit. Dagegen mühen sie sich mit neuem Personal und suchen neue Themen - etwa zum Umgang mit Robotern und Künstlicher Intelligenz.

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"Kann sein, dass in den nächsten Jahren viel Graubrot zu kauen ist", sagt eine Delegierte über das, was den Grünen bevorsteht. Nach der Bundestagswahl waren sie nah dran, nach zwölfeinhalb Jahren mal wieder im Bund mitzuregieren. Doch die Ökopartei ist nach dem Aus für eine schwarz-gelb-grüne Regierung nur noch die kleinste Fraktion unter sechsen im Bundestag.

Klein und in der Opposition, das heißt ganz hinten auf den Rednerlisten und nur mit Restplätzen etwa bei der Besetzung wichtiger Ausschüsse. Deshalb setzt die Ökopartei bei ihrem Bundesparteitag dieses Wochenende in Hannover auf neues Personal an der Parteispitze und auf neue Schwerpunkte. Die Ökos suchen Themen, die der von ihnen als "muffig" dargestellten schwarz-roten Koalition nicht einfallen.

Dafür treten die jeweils mit großer Mehrheit gewählten Annalena Baerbock und Robert Habeck an. Baerbock warb für einen direkten und intensiven Kontakt mit großen Unternehmen. Habeck verlangte eine andere Steuerpolitik für Reiche, um die Kluft zwischen Arm und Reich nicht wachsen zu lassen.

Wer kaum Chancen hat, muss sie also nutzen. Diese Devise gibt der scheidende Bundesvorsitzende Cem Özdemir seinen Leuten vor: "Wir sollten die Anwälte der Zukunft sein." Es gehe um Arbeit, Roboter, Künstliche Intelligenz, es gehe um Chancengerechtigkeit für Kinder und für alle beim Thema Bildung. Die Details müssen dann die beiden neuen Chefs ausarbeiten.

Özdemir trat ab, ebenso seine Co-Vorsitzende Simone Peter. Ihre Nachfolger müssen das Programm runderneuern. Schließlich stammt es aus dem Jahr 2002, da waren Schlagworte wie Arbeit 4.0 oder eine Robotersteuer noch unbekannt.

Özdemir brachte zuvor in seiner Abschiedsrede noch eine Steuer auf Roboter in der Industrie und bei Dienstleistungen ins Spiel. Die soll die automatisierte Arbeit ohne Menschen besteuern, um den Menschen konkurrenzfähig gegen die Rund-um-die-Uhr-ohne-Urlaub-Konkurrenz zu halten und dem Staat Einnahmen zu sichern.

Wenn zwei Realpolitiker an der Spitze stehen, dürfte der Blick in die Zukunft und auf die Wirtschaft etwas optimistischer ausfallen als beim linken Flügel. Dennoch wollen die Grünen den Eindruck, nur Besserverdienerpartei zu sein, dringend abschütteln. Das bedeutet nach Darstellung der Spitzenfrau Baerbock, dass beim Diesel eben nicht nur Schadstoffe und Filter, CO2 und Klimaschutz ein Maßstab sind. Stattdessen soll immer ein Angebot her, damit sich Durchschnittsverdiener nicht als finanzielle Verlierer empfinden.

Konkret fordert Baerbock, die das teils strukturschwache Brandenburg im Bundestag vertritt, dass ein Softwareupdate bei den umstrittenen Dieseln mit hohen Abgaswerten und eine Kaufprämie für sauberere Wagen nicht ausreichen. "Sonst stehen die im Regen, die sich trotz Kaufprämie keinen Neuwagen leisten können aber aufs Auto angewiesen sind - die Krankenschwester im Schichtdienst, die Familie mit dem alten Kombi." Verkehrspolitik sei "auch eine soziale Frage". Deshalb müssten die Autobauer eine neue Hardware für Diesel auf ihre Kosten einbauen.

Ebenso argumentiert sie beim Kohleausstieg, den die Grünen fordern, der aber für manche Region wirtschaftliche Einbrüche bedeuten dürfte. „Der Kohleausstieg ohne Sozialpläne für die Arbeitnehmer oder einen Strukturwandelfonds für die Regionen geht nicht." Also müssen in dieser Argumentation der Staat und die Unternehmen ran. Der Staat solle einen Fonds einrichten, um den Strukturwandel zu befördern, die Kohleunternehmen müssten Rückstellungen bereithalten "für die Behebung der gigantischen Umweltschäden in der Region".

Wirtschaftsexpertinnen wie die Bundestagsabgeordnete Kerstin Andreae und andere Realos wünschen sich klare Ziele für mehr Nachhaltigkeit und einen optimistischen Wirtschaftskurs mit einer stärkeren Rolle des Staates, als ihn etwa die FDP will. Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt hofft, im Parlament mit "den großen Themen" durchzudringen, die eine mögliche schwarz-rote Koalition liegen lasse. Statt immer neuen Kommissionen für die Rente brauche es Klarheit, welche Regeln Künstliche Intelligenz erfordere, also lernende Computersysteme, die dem Menschen irgendwann Vorgaben und Einschränkungen machen könnten. Die Grünen müssten auch für Chancengleichheit stehen, also alle Kinder stärker fördern und ihnen bessere Bildung ermöglichen.

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