Günstlingswirtschaft Die gesponserte Republik

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Repräsentieren mit Steuergeld

Der Bundespräsident zu Gast bei Freunden
Der Bundespräsident zu Gast bei FreundenWeil er von einer befreundeten Unternehmerin ein Darlehen über 500.000 Euro zu marktunüblich günstigen Bedingungen aufgenommen hat, gerät Bundespräsident Christian Wulff zunehmend unter Beschuss. Es ist nicht das erste Mal, dass Wulff wegen seines guten Drahts zu reichen Unternehmern negativ auffällt. Um die Diskussion zu entschärfen, will Wulff nun für Transparenz sorgen. Über seine Anwälte ließ er am Wochenende alle privaten Urlaube bei persönlichen Freunden auflisten. Das sind die Gastgeber des Präsidentenpaares. Quelle: dapd
Edith und Egon Geerkens2003 und 2004 waren die Wulffs jeweils einmal zu Gast bei Edith und Egon Geerkens auf deren Anwesen in Spanien. Egon Geerkens gilt als väterlicher Freund von Christian Wulff. Der gelernte Elektriker aus Osnabrück handelte erfolgreich mit teuren Oldtimern, bevor er ins Schmuckgeschäft einstieg und einen erfolgreichen Juwelierladen aufbaute. Sein Vermögen stammt allerdings maßgeblich aus Immobilien-Geschäften. Seine Frau Edith arbeitete vor der Hochzeit als Angestellte in seinem Schmuckgeschäft. Von ihr soll Wulff den Hauskredit über eine halbe Million Euro erhalten haben. Quelle: dpa
Wolf-Dieter Baumgartl2008 verbrachten Christian Wulff und seine Frau Bettina einige Tage in den Privaträumen von Wolf-Dieter Baumgartl und seiner Frau Ingrid in Italien. Der studierte Jurist war jahrelang Spitzenmanager bei deutschen Versicherungen und ist heute Aufsichtsratschef der Talanx-Gruppe. Er gilt als Genießer. Auf seinem Anwesen bei Livorno frönt er italienischen Weinen und französischen Zigaretten. In seiner Freizeit fährt er gerne Harley-Davidson. Quelle: dapd
Angela Solaro und Volker MeyerIn den Jahren 2008 und 2009 besuchten die Wulffs das befreundete Ehepaar Angela Solaro und Volker Meyer auf der Nordseeinsel Norderney. Das Ehepaar besitzt dort ein bekanntes Geschäft für Süßwarenspezialitäten und Spirituosen und betreibt mehrere Strandläden. Quelle: dpa
Edith und Egon GeerkensSilvester 2009/2010 verbrachten die Wulffs wieder bei Edith und Egon Geerkens. Diesmal flogen sie in die USA, wo das Ehepaar ebenfalls ein Haus besitzt. Quelle: dpa
Carsten MaschmeyerIm Juli 2010 verbrachten die Wulffs ihren Sommerurlaub auf dem Anwesen von Carsten Maschmeyer, dem ehemaligen Chef des Finanzdienstleisters AWD. Maschmeyers Villa mit zwei Nebengebäuden auf einer Halbinsel bei Port d’Andratx soll zwischen 20 und 45 Millionen Euro wert sein. Maschmeyer ist mit der Schauspielerin Veronica Ferres verheiratet. Die Ehepaare kennen sich aus Hannover. Während Wulffs Amtszeit als niedersächsischer Ministerpräsident war AWD Sponsor bei Veranstaltungen der Landesregierung. Quelle: dpa

Besonders mit dem Sponsoring staatlicher Veranstaltungen „habe ich mich immer sehr schwergetan“, gesteht der oberste Hygienebeauftragte der Wirtschaft Klaus-Peter Müller. „Ich halte das für eine unzulässige Bettelei des Staates.“ Wenn der Staat repräsentieren wolle, solle er dies mit Steuergeld tun. „Wenn der Bundespräsident das Geld dafür nicht in seinem Etat hat, dann muss er es eben lassen.“ Fraglich sei, ob die „unendliche Menge“ an Festen nötig sei. „Wenn wir das alles abschaffen, würde die Demokratie darunter nicht leiden.“

Ohne Sponsoren leiden würden wohl die Parteien. Ihre Treffen gleichen Messen. Auf dem kommerziellen Kontakthof kommen Lobbyisten und Delegierte ins Gespräch. Hier sind politische Konjunkturen erkennbar. Vor Gesundheitsreformen schwärmen Pharma- und Versicherungsvertreter umher, zur Energiewende werden Stromerzeuger gesichtet. Autofirmen sind immer da. McDonald’s übernimmt die Bewirtung

Kommunikationsagenturen bahnen das Geschäft an. So nahm die CDU schon beim Parteitag 2008 in Stuttgart für 20 Quadratmeter Standfläche 8000 Euro – 400 Euro pro Quadratmeter. Andere Aussteller breiten sich auf dem Fünf- oder Zehnfachen aus. Manche Firmen, berichten Insider, buchen zum sechsstelligen Paketpreis die Dauerpräsenz auf Bundes- und Landeskongressen. Die CDU gibt „aus datenschutzrechtlichen Gründen“ keine Auskunft. Fürs Parteiengesetz bestehe „kein Veränderungsbedarf“.

Sponsoring im Parteienschutzgesetz regeln

Anders sieht das die Opposition. Thomas Oppermann, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, fordert Konsequenzen aus den jüngsten Skandalen. „Es ist falsch, dass Sponsoring bisher im Parteiengesetz nicht geregelt ist.“ Hier sei Aufklärung nötig. „Wir wollen, dass Sponsorenbeiträge der Höhe nach begrenzt und ab einer bestimmten Höhe anzeigepflichtig werden“, sagt er.

Dem pflichten die Grünen bei. Deren Innenexperte Wolfgang Wieland hat im Zuge der Wulff’schen Affären Hoffnung, dass ein neues Gesetz zur Parteienfinanzierung doch Gestalt annimmt. „Wir müssen den Anschein vermeiden, dass Sponsoren Politiker kaufen.“ Deshalb sehe ein Antrag der Grünen kein Sponsoring-Verbot vor, aber: „Man sollte die Leistungen wie Spenden behandeln und veröffentlichen.“

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