Günther Schuh Politiker aus Protest

Der Aachener Professor Günther Schuh zählt zur ersten Liga der deutschen Ingenieurzunft, jetzt kandidiert er für ein Ministeramt in Nordrhein-Westfalen. Warum bloß?

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Günther Schuh und Norbert Röttgen Quelle: dpa

Günther Schuh steht auf dem Dach des Werkzeugmaschinenlabors der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) in Aachen. Von hier oben kann er sein Reich überblicken. Der knapp zwei Meter große Professor und Chef einer Unternehmensberatung, die seinen Namen trägt, streckt seinen Arm aus Richtung Eifel. „Dort entsteht die Allee der Wissenschaft“, sagt Schuh und deutet auf eine geschwungene Betonpiste, von der in regelmäßigen Abständen Stichstraßen abzweigen. „Mehr als eine Milliarde Euro Investitionssumme, der größte Teil davon sind private Mittel.“ Ein Loch haben die Bagger bereits gerissen, es entsteht die Produktionshalle für den „Streetscooter“, ein Elektroauto, das Schuh und ein paar Kollegen entwickelt haben und jetzt in einer Kleinserie fertigen lassen, 3000 Stück pro Jahr. „Wir beweisen den Autobauern, dass man für 12.000 Euro ein Elektroauto fertigen kann“, sagt Schuh.

WirtschaftsWoche: Professor Schuh, Sie gehören zum Wahlkampfteam von Norbert Röttgen (CDU) und wollen bei dessen Sieg Minister für Wissenschaft und Wirtschaft werden. Warum tun Sie sich das an, wo doch der berühmte Ausflug des Wissenschaftlers Paul Kirchhof in die Politik so kräftig schiefgegangen ist?

Günter Schuh: Es gibt ja Wutbürger, Protestbürger. Wenn Sie so wollen, bin ich eine Art Protestminister. Wir haben hier zwei Jahre erlebt, die sind gelaufen, als hätten wir formal gar keine Regierung gehabt. Ich bin mit den Details eines Gebäudetausches bei der Ministerpräsidentin gewesen! Das Thema können Sie auf Abteilungsleiterebene in einem Gespräch lösen.

Aber da wird man doch nicht gleich Minister.

Ich habe hier einen tollen Job, den muss ich nicht aufgeben. Wenn Frau Kraft ein bisschen das Personaltableau verändern würde, hätte ich es mir anders überlegt. Ich sage meinen Kindern immer, wenn etwas schiefläuft, meckert nicht, macht es besser. Das muss ich vorleben.

Angriffe auf politische Gegner sind von Ihnen also nicht zu erwarten?

Ich lerne jetzt zwar, dass man auf politischer Ebene immer den Gegner angreifen muss. Ich habe mir aber vorgenommen, mit jedem politischen Gegner respektvoll und in der sachlichen Auseinandersetzung hart, aber fair umzugehen.

Welche Erfahrungen bringen Sie mit?

Ich bin so eine Art Aachener Miniatur-Bauminister, seitdem wir hier auf dem Campus das größte Bauprojekt seit ewigen Zeiten stemmen, wo wir eine Milliarde privates Kapital aktivieren. Was wir hier machen, das ist universitäre Profilbildung in Reinform!

Glauben Sie, es kommt gut an, wenn Sie sagen: Schaut her, alle sollen es so machen, wie ich es vormache?

Ich würde mich da gar nicht so sehr als Vorbild verkaufen. Ich glaube bloß, dass ich weiß, welche Freiheiten ich den Leuten geben muss, weil ich weiß, wie sie wirken. Der schlechteste Reflex ist doch der folgende: Ich, Landesregierung, bin zuständig, leider habe ich kein Geld, auch keinen Plan, deshalb mache ich nichts. Aber ich bleibe zuständig.

Was würden Sie anders machen – als zuständiger Minister ohne Geld?

Wir sind das Ingenieurbüro der Welt. Und der Trigger davon ist Kooperationsproduktivität. Wenn ich ein neues Produkt entwerfe, ist es nirgends so einfach wie hier, für alle Bauteile Profis zu versammeln. In Japan sind die Produktionsanlagen der Autobauer geschlossene Zirkel. Was bei Toyota geht, wird Mitsubishi nicht erfahren. Bei uns fragen Sie irgendein Ingenieurbüro, das für die Konkurrenz gearbeitet hat. Außerdem ist die Vernetzung der Wirtschaft einmalig. Das bekommt jetzt noch mal einen Schub, weil wir die Vercloudung unserer Infrastruktur bekommen.

Schuh sagt wirklich „Vercloudung“ und „Trigger“, doch er wirkt nicht albern dabei. In seiner Vitrine stehen reihenweise Miniaturmodelle von Sportwagen, einen davon hat er in groß in der Garage stehen. Gerne lästert er über die „Kollegen am MIT“ und erzählt, was in Aachen besser laufe. Im Internet findet sich eine Performance Aachener Studenten, sie besingen darin den Professor: „Oh Günther Schuh, ich wär so gern wie du-u-uh.“ Wenn es eine Antithese zur Spezies Minister braucht, Schuh ist sie in Reinform.

Potenziale heben

Die Wirtschafts-Giganten aus NRW
Das Logo von Evonik Quelle: dpa
Beim Abstich wird der Himmel über dem Hüttenwerk Krupp Mannesmann (HWK) in Duisburg von hellem Feuerschein erleuchtet Quelle: dpa
Homepage von Abus Quelle: Screenshot
Die Kombo zeigt die Schilder von Aldi Süd und Aldi Nord Quelle: dpa
die Zentrale der Rheinmetall AG in Düsseldorf. Quelle: dpa/dpaweb
Das Verwaltungsgebäude der Bertelsmann AG in Gütersloh Quelle: dpa/dpaweb
Der geschäftsführende Gesellschafter der Tengelmann-Gruppe Karl-Erivan W. Haub hält einen Tengelmann-Prospekt. Quelle: AP

Wofür braucht es bei Ihren Ideen die Politik?

Wir haben zu viele rechtliche Hürden für die Kooperation zwischen Unis und Unternehmen. Da müssen wir etwas lockern, zudem braucht es auch die führende Hand. Wir müssen Punkte schaffen, an denen die Unternehmen einsteigen können mit Geld und Personal.

Aber das macht abhängig.

Man muss darauf achten, dass die Kooperation nicht einseitig verläuft. Bei uns in Aachen ist eine Muss-Voraussetzung, dass nicht nur ein Unternehmen, sondern mindestens eine Handvoll mit im Boot ist. Man darf die Unabhängigkeit aber nicht ideologisch überzeichnen. Die Unis sind längst ein substanzieller Wirtschaftsfaktor, ein Ort der Begegnung. Diesen Auftrag müssen wir stärken.

Allein als Koordinator würden Sie als Minister aber nicht weit kommen.

Nicht in allen Feldern genügt das. Es gibt zum Beispiel eine Chance, durch das Nebeneinander von Wirtschaftswachstum hierzulande und Schuldenkrise in Europa. Wir werden ein Projekt anstoßen, den „ökologischen Eigenheimbau“, eine neue Form der Eigenheimzulage. Damit bauen wir Vermögen auf und heilen die Wohnungsnot. Vor allem: Es macht die Menschen fröhlich! Das ist in der aktuellen Programmatik unmöglich, weil man keine Flächen versiegeln will. Ich kann diese vorsätzlich falschen Aussagen nicht leiden.

Was ist daran falsch?

Wir haben in den Städten Industriebrachen, auch da, wo die Bevölkerung wächst. Industrie ist heute tendenziell kleiner als früher. Eine Montagefabrik für 1000 Autos am Tag hätte vor 20 Jahren 30.000 Quadratmeter, heute hat sie 20.000. Wir können den Wohnungs- und Eigenheimbau fördern, ohne weitere Flächen zu versiegeln.

Und wie soll dieser Umbau finanziert werden?

Wir haben es durchgerechnet – es ist haushaltsneutral. Man generiert sogar einen kleinen Überschuss, wenn man Mehrwertsteuer und Anteile an anderen Steuern mitrechnet...

Schuhs Finger, in einen dicken Verband gehüllt, bewegt sich zur Demonstration nach oben. Beim Schlauchbootfahren hat er sich in einem Metallring am Kai festgehalten, dann gab ein anderer Gas. „Oh, jetzt muss ich aufpassen“, lacht er. Wenn Schuh von seinen Ideen berichtet, wird deutlich: Er will sie unbedingt umsetzen. Die politische Karriere bildet das Beiwerk.

Falls Frau Kraft sich das mit dem Personalwechsel doch noch mal überlegen würde und Sie bitten würde, Ihre Ideen umzusetzen…

Nein, als Minister stehe ich nur der CDU zur Verfügung. Meine Bereitschaft, mitzumachen, hängt überwiegend an den beteiligten Personen.

Wo stehen Sie überhaupt politisch?

Ich mag den werteorientierten Ansatz der CDU. Ich bin aber auch den Grünen dankbar – für eine steilere Bewegung des Augenöffnens. Mein Hauptanliegen in der Politik ist, unsere vorhandenen Potenziale zu heben.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%