Güssau stürzt über Briefwahlaffäre Parlamentspräsident von Sachsen-Anhalt räumt Posten

Am Ende sind die Schatten aus der Heimat zu lang: Sachsen-Anhalts Landtagspräsident Güssau nimmt dem Parlament die Entscheidung über seine politische Zukunft ab – und tritt zurück.

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Der Rückhalt des Landtagspräsidenten ging nach wochenlangen Diskussionen und Erklärungsversuchen verloren. Quelle: dpa

Magdeburg Der Landtagspräsident von Sachsen-Anhalt geht. Wenige Minuten, nachdem das Treffen über seine politische Zukunft begonnen hat, stürmt Hardy Peter Güssau am Montag aus dem Raum. Allein. Die Journalistenfragen ignorierend, entschwindet der CDU-Politiker in einen der langen Landtagsflure in Magdeburg. Er kehrt dem Trubel schweigend den im grauen Anzug steckenden Rücken. Erst Minuten später folgen die Abgeordneten des Ältestenrates. Das Bild passt: Güssau ist isoliert. Sein Rückhalt im Landesparlament ging in wochenlangen Diskussionen und Erklärungsversuchen verloren.

Es geht um die Stendaler Briefwahlaffäre und um den Versuch der Vertuschung. Güssau soll daran beteiligt gewesen sein. Angesichts des bröckelnden Vertrauens gibt er nach nur vier Monaten als Landtagspräsident auf. Er erklärt schriftlich seinen Rücktritt - und nimmt damit dem Ältestenrat in letzter Minute noch die Fäden aus der Hand. Das Gremium des Parlaments hatte am Montag ein Treffen anberaumt, um Güssau das Vertrauen auszusprechen oder zu entziehen.

Die meisten Spitzenpolitiker sind erleichtert. Güssau habe mit einer „Notbremse die unwürdige Hängepartie beendet“, sagt Grünen-Fraktionschefin Cornelia Lüddemann. Vertreter von SPD und CDU, darunter auch Regierungschef Reiner Haseloff (CDU), zollen Güssau Respekt für die von nicht wenigen herbeigesehnte Entscheidung.

Gefallen ist der studierte Lehrer über die Briefwahlaffäre bei der Kommunalwahl in Stendal vom Sommer 2014. Damals sollen fast 200 Briefwahlunterlagen zugunsten eines CDU-Kandidaten gefälscht worden sein. Erst musste die Briefwahl wiederholt werden, dann die ganze Kommunalwahl.

Die Justiz ermittelt wegen der Manipulationen - allerdings nicht gegen Güssau. Trotzdem wird Ende Juli der Verdacht laut, der langjährige Stadtchef der Stendaler Christdemokraten habe eine Wiederholung der Wahl und eine Strafanzeige verhindern wollen. Die „Magdeburger Volksstimme“ zitiert aus Akten der Ermittler. Der Druck auf den 53-Jährigen wächst. Nach einem Krisentreffen mit der eigenen Partei muss er allen Fraktionen Rede und Antwort stehen. Kataloge mit offenen Fragen werden ihm zugesendet, ein Ultimatum gesetzt.


Güssau hält dem Druck nicht stand

Gespickt sind die Nachfragen von Rücktrittsforderungen aus den Reihen des Koalitionspartners SPD. Die mitregierenden Grünen denken über einen Sonderermittler nach. Damit wird die Causa Güssau auch zum Belastungstest für die gerade knapp über 100 Tage alte schwarz-rot-grüne Landesregierung.

Der Mann, um den sich all der Wirbel dreht, hält diesem Druck letztlich nicht stand. „Das Amt des Landtagspräsidenten benötigt eine hohe Akzeptanz. Ich bin als Landtagspräsident darauf angewiesen, dass eine Mehrheit der Abgeordneten mir vertraut“, hatte er kurz vor der Sitzung mitgeteilt. Er pocht auf seine Unschuld, beklagt, vorverurteilt worden zu sein.

Sein letzter Tag im Amt wird der 21. August sein. Vom darauffolgenden Montag an bleibt nur noch der Linken-Abgeordnete und Vize-Landtagspräsident Wulf Gallert, um die Geschäfte des höchsten Politikeramts des Landes zu übernehmen. Der zweite Stellvertreter, Daniel Rausch von der AfD, war bereits Anfang Juni aus persönlichen Gründen zurückgetreten. Die CDU hat als größte Fraktion das Vorschlagsrecht für den Güssau-Nachfolger. Den Kandidaten oder die Kandidatin will sie nach eingehenden Beratungen benennen, wie Fraktionschef Siegfried Borgwardt sagt.

Der Schritt will gut überlegt sein. Denn die CDU hat binnen eines Jahres nun schon den zweiten Parlamentschef aus ihren Reihen verloren. Ende November 2015 hatte Detlef Gürth seinen Posten geräumt. Er hatte mehrere Steuererklärungen zu spät abgegeben.

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