Gutachten zu Bundeswehrprojekten Von der Leyens Milliarden-Risiken

Die Kosten für Rüstungsprojekte der Bundeswehr laufen aus dem Ruder. Ein Gutachten listet zahlreiche Vorhaben mit Milliarden-Risiken auf. Schafft es Verteidigungsministerin von der Leyen, das Schlimmste zu verhindern?

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Ursula von der Leyen (CDU): Die Verteidigungsministerin hatte die Experten der Unternehmensberatung KPMG, der Ingenieurgesellschaft P3 und der Kanzlei Taylor Wessing mit der Überprüfung beauftragt, weil sie mit der internen Kontrolle der Projekte unzufrieden war. Quelle: dpa

Berlin Die Rüstungsprojekte der Bundeswehr könnten sich zu einem unkalkulierbaren Kostenrisiko für die Steuerzahler entwickeln. Das legt ein Gutachten von Wirtschafts- und Rechtsexperten im Auftrag des Bundesverteidigungsministeriums nahe.

Zahlreiche Projekte hätten in ihrer Entwicklung „die ursprünglich vorgesehenen Projektbudgets überschritten und Mehrkosten zu bewältigen“, heißt es in der Analyse. Begründet wird dies damit, dass das Kosten- und Finanzmanagement der Projekte nicht zuletzt aufgrund politischer und sonstiger projektexterner Vorgaben von einem „optimistischen Ansatz (Best-Case-Szenario)“ ausgehe, der „keine ausreichenden Budgets zur Überwindung eingetretener Risiken berücksichtigt“.

In einer dreimonatigen Prüfung identifizierten die Experten bei den neun größten Projekten 140 Probleme und Risiken. In ihrer Analyse kommen sie zu dem Ergebnis, „dass eine Optimierung des Rüstungsmanagements in nationalen und internationalen Großprojekten dringend und ohne Verzug geboten ist“.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte die Experten der Unternehmensberatung KPMG, der Ingenieurgesellschaft P3 und der Kanzlei Taylor Wessing mit der Überprüfung beauftragt, weil sie mit der internen Kontrolle der Projekte unzufrieden war. Heute wurde der Bericht offiziell übergeben.

Von der Leyen sprach in einer ersten Reaktion von „einem Raummeter an wertvollen Hinweisen“. Der Bericht werde „ein gutes Bild darüber geben, wo die Vorzüge und wo die Probleme liegen“ sowie auch darüber, „welches die Muster der Probleme sind“. Es sei darum gegangen, Schwachstellen aufzuzeigen und Handlungsbedarf deutlich zu machen. Von der Untersuchung betroffen seien alle Teilstreitkräfte der Bundeswehr.


„Es liegt einiges im Argen“

Die Grünen verlangen von der Ministerin nun rasche Vorschläge, wie sie die Probleme in den Griff bekommen will. „Frau von der Leyen kann sich ab jetzt nicht mehr hinter Prüfungen verstecken. Wir erwarten von ihr nun Entscheidungen“, sagte der Haushalts- und Verteidigungsexperte der Grünen-Bundestagsfraktion, Tobias Lindner, dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). „Es liegt einiges im Argen.“ Quer durch die Bank gebe es Verzögerungen, Kostensteigerungen, Unklarheiten in den Verträgen oder auch fehlende Logistik- und Wartungsverträge, wie er dies zum Beispiel letzte Woche beim A400M bereits angemahnt habe, sagte Lindner.

Die Vorhaben, die in dem Gutachten untersucht wurden, werden den Steuerzahler insgesamt etwa 50 Milliarden Euro kosten. Zu den überprüften Projekten zählen beispielsweise das Kampfflugzeug „Eurofighter“, das Transportflugzeug A400M und die Aufklärungsdrohne „Euro Hawk“. Das Experten-Konsortium erhält für seine Arbeit 1,15 Millionen Euro.

In ihrer Analyse gehen die beauftragten Berater auf die erheblichen Kostenprobleme unter anderem beim A400M ein. Für die Lieferung von ursprünglich 60 bestellten A400M waren demnach Kosten in Höhe von etwa 8 Milliarden Euro vorgesehen. „Trotz der Reduzierung der Liefermenge auf 53 (…) werden sich die Kosten für das Rüstungsprojekt prognostisch um rund 15 Prozent erhöhen“, schreiben die Experten. Ursächlich hierfür seien die Erhöhung der Umsatzsteuer 2007 sowie eine Anpassung an andere Preissteigerungen.

Die Kosten sind aus Sicht der Prüfer auch ein Problem des Vertragsmanagements, dem die „unzutreffende“ Einschätzung zugrunde liege, „dass das Projekt keinen nennenswerten (neu-) Entwicklungsanteil beinhaltet und technologisch lediglich mit einem geringen Risiko behaftet ist“.

Als ein weiteres Risiken wird gesehen, dass schon jetzt absehbar sei, dass es zu „Einschränkungen im Anfangsflugbetrieb“ kommen wird, weil es Lieferschwierigkeiten bei sogenannten Bodendienst- und Prüfgeräten sowie Ersatzteilen gebe. Weil das Flugzeug von Airbus vorerst nicht in der ursprünglich vereinbarten Ausstattung geliefert worden sei, empfehlen die Experten die „Einforderung von Kompensationsleistungen“.  


Funkgeräte-Ausstattung gerät zum Fass ohne Boden

Für den „Eurofighter“ empfehlen die Experten eine „Konkretisierung der Nutzungsstrategie“ für jede Tranche, um, wie es in der Analyse heißt, die Besonderheiten des technischen Entwicklungsstandes angemessen zu berücksichtigen. Zu Projektbeginn waren für die Entwicklungs- und Beschaffungskosten etwa 14 Milliarden Euro veranschlagt. Heute geht man von rund 26 Milliarden Euro aus, obwohl die Anzahl der bestellten Flugzeuge von 250 auf 143 reduziert wurde.

Eine deutliche Verteuerung der Kosten stellen die Prüfer auch beim Transporthelikopter des Typs NH90 fest. Im Dezember 1999 wurden für die Beschaffung von 134 dieser Hubschrauber Kosten von knapp 2,4 Milliarden Euro kalkuliert. Derzeit belaufen sich die Kosten laut dem Gutachten auf rund 4,4 Milliarden Euro bei geringerer Stückzahl. Als Gründe werden veränderte Fähigkeitsanforderungen und verlängerte Entwicklungsphasen genannt.

Zudem habe sich die Einstellung anderer Hubschrauber-Programme kostensteigernd ausgewirkt. Als weiterer Kostenfaktor gilt überdies, dass es „noch keine befriedigende Lösung“ für ein Korrosionsproblem der NH-90-Serie gibt.

Beim Unterstützungshubschrauber „Tiger“ wurde der Kostenplan von „politischen Ereignissen“ beeinflusst. „das hat mehrfach zur Anpassung der Stückzahlen sowie zu Planungsänderungen geführt“, konstatieren die Gutachter. Die Stückzahl von ursprünglich geplanten 212 Luftfahrzeugen wurde demnach auf 80 reduziert. Dadurch hätten die Beschaffungskosten zwar um 48 Prozent gesenkt werden können. „Die Stückkosten sind hingegen aufgrund der relativ höheren Entwicklungs- und Produktionskosten je Hubschrauber gestiegen.“

Kostensteigerungen stellen die Experten auch bei Fregatten der Klasse F 125 fest. Der ursprüngliche Bauvertrag aus dem Jahre 2007 sah einen Vertragspreis von rund 2 Milliarden Euro vor. Mit der ersten Änderung erhöhte sich der Preis um 2,5 Prozent. Danach wurden weitere Änderungen eingefordert, sodass sich der Gesamtpreis nach Einschätzung der Experten um etwa 6 Prozent erhöhen wird.

Zu einem Fass ohne Boden entwickelt sich das Projekt „Streitkräftegemeinsame verbundfähig Funkgeräteausstattung“. Die ursprüngliche Kostenschätzung belief sich auf rund 165 Millionen Euro. Danach liefen die Kosten aus dem Ruder. In dem Gutachten heißt es dazu: „Bis heute steigerte sich der Finanzbedarf über den Projektverlauf durch Anpassungen der Verträge um 42 Prozent.“

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