Handelsblatt-Deutschland-Dinner Wenn Schäuble Klartext spricht

Der Finanzminister vergleicht Griechenland mit einem Fass ohne Boden, räumt aber auch Fortschritte ein. Beim Deutschland-Dinner des Handelsblatts knöpft sich Schäuble außerdem die EZB und die CSU vor.

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Der Bundesfinanzminister sprach beim Deutschland-Dinner des Handelsblatt über die Krisen Europas. Dabei war er bestens gelaunt. „Koalitionsgespräche sind immer wie ein Jungbrunnen“, witzelte er. Am Dienstagabend hatten die Koalitionsspitzen im Kanzleramt beraten. Quelle:

Berlin Wolfgang Schäuble (CDU) kam direkt aus dem Kanzleramt. Bis kurz vor 20 Uhr hatte er dort am Dienstagabend beim Koalitionsgipfel über eine mögliche Rentenreform diskutiert. Dann musste der Bundesfinanzminister die Runde verlassen und Richtung Deutsches Historisches Museum aufbrechen. Dort hatte das Handelsblatt zum Deutschland-Dinner geladen, und Schäuble war der Ehrengast.

Das Treffen mit Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD) muss aus Sicht des Finanzministers gut gelaufen sein. Er war bester Laune, als er im großen Saal des Museums ankam. „Koalitionsgespräche sind immer wie ein Jungbrunnen“, witzelte Schäuble. Und entsprechend schlagfertig präsentierte er sich dann beim Deutschland-Dinner vor den 600 Handelsblatt-Lesern.

In einer lebhaften Diskussion mit Handelsblatt-Herausgeber Gabor Steingart ging es um die Flüchtlingskrise, die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), Griechenland und Schäubles Verhältnis zu Kanzlerin Merkel.

Offen und klar bezog der Finanzminister Stellung zu Europas Krisen. In ein Fass ohne Boden solle man keinen Wein reingießen, sagte er mit Blick auf Griechenland. Schäuble war im vergangenen Sommer dafür, Griechenland den Austritt aus der Eurozone zu versüßen. Doch Merkel entschied sich anders. Es sei kein Geheimnis, dass es einen Meinungsunterschied gab, so Schäuble. Die Entscheidung aber sei gefallen, und Schäuble akzeptiert sie. „Griechenland hat sich entscheiden, diesen schwierigen Weg zu gehen.“ Nun muss der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras die notwendigen Reformen liefern.

Es gebe aber auch gute Nachrichten aus Griechenland, meinte Schäuble. Die Zahlen auf dem Arbeitsmarkt seien besser, die Wirtschaft wachse, das Defizit sei geringer. Der griechische Botschafter, der ebenfalls unter den Gästen war, dürfte zumindest diesen Satz gerne gehört haben. Schäuble warb beim Deutschland-Dinner dafür, Athen weiter zu helfen. Aber nicht bedingungslos und nicht in jeder Form.

Einen Schuldenschnitt schloss Schäuble kategorisch aus. Schließlich sei Griechenland durch die Hilfskredite derzeit ohnehin „mit null Euro belastet“, da Rückzahlungen und Zinsen gestundet sind. Zu einem späteren Zeitpunkt könne es allerdings Schuldenerleichterungen geben, wenn das notwendig sein sollte, gab Schäuble zu. Sollte die Schuldentragfähigkeit mittelfristig nicht hergestellt sein, werde man sich das Thema erneut ansehen. „Aber jetzt besteht keine Notwendigkeit.“


Klare Ansagen an die EZB

Ähnlich klare Ansagen wie Tsipras bekam auch EZB-Präsident Mario Draghi. Schäuble wünscht sich einen langsamen Ausstieg der Notenbanken aus der Nullzinspolitik. Für diese Position bekam der Finanzminister bei der Handelsblatt-Veranstaltung Applaus. Er habe immer wieder auf die Risiken der Geldschwemme der Notenbanken hingewiesen, sagte Schäuble. Dies sei keine Kritik an Draghi und der EZB. Aber man müsse über die Auswirkungen sprechen, verteidigte sich der Finanzminister.

Als eine Gefahr sieht er auch, dass sich die leidenden Sparer populistischen Parteien zuwenden. Die Nullzinsen würden „ein enormes politische Gefährdungspotential beinhalten“, so Schäuble. Ihm wäre es jedenfalls lieber, betonte der Finanzminister, wenn die Notenbanken weltweit „so allmählich einen Weg – behutsam, vorsichtig – aus der ungewöhnlichen Geldpolitik herausfinden."

Auch innenpolitische Themen wurden beim Deutschland-Dinner diskutiert. Schließlich waren unter den Gästen auch Politiker, unter anderem ein CSU-Funktionär. Das angespannte Verhältnis innerhalb der Union bereitet Schäuble Sorge. Er nehme die Drohung von CSU-Chef Horst Seehofer ernst, einen getrennten Wahlkampf zu führen, sagte der Bundesfinanzminister. Die Stabilität und Stärke der CSU sei immer ein wesentlicher Erfolgsgarant der Union gewesen. Auf die Frage, ob CDU und CSU jetzt getrennt marschieren sollten, sagte Schäuble. „Davon halte ich gar nichts.“

Schäuble, der so lange dem Bundestag angehört wie kein anderer Abgeordneter, hat viele Wahlkämpfe geführt. Eine Volkspartei müsse immer für sich in Anspruch nehmen, die stärkste Partei zu sein, sagte er. Wenn sie sich in Gruppen teile, habe sie einen wesentlichen Teil ihrer faszinierenden Integrationskraft aufgegeben. „Das würde ich niemals machen“, betonte Schäuble. Und im Übrigen glaube er, dass Seehofer das ähnlich sehe. Mit ihm und Merkel hatte Schäuble ja bis kurz vor dem Deutschland-Dinner zusammengesessen.

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