Handelsblatt Exklusiv Experte sieht Al Kaida finanziell gut gerüstet

Dem Terrornetzwerk droht durch den Tod Bin Ladens kein finanzieller Engpass, sagt der Wirtschaftsprofessor Friedrich Schneider. Er hat die Geldströme von Terrororganisationen untersucht.

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Osama bin Laden mit seinem Stellvertreter Ayman al-Zawahiri im Jahr 2001. Quelle: handelsblatt.com

Nach Einschätzung des Linzer Wirtschaftsprofessors Friedrich Schneider wird der Tod Osama bin Ladens das Terrornetzwerk Al Kaida nicht entscheidend schwächen. Finanziell sei die Organisation weiter gut aufgestellt, sagte der Ökonom dem Handelsblatt.

Schneider, der die Finanzströme islamischer Terrororganisationen untersucht hat, führt als Grund vor allem die breite ökonomische Basis an, auf der Al Kaida agiert. Demnach speist sich die Finanzierung der Organisation, deren Vermögen zuletzt auf rund fünf Milliarden Dollar geschätzt wurde, vor allem aus Einnahmen aus dem Drogenhandel in Afghanistan (50 Prozent). Weitere wichtige Einnahmequellen seien der illegale Diamantenhandel aus Zentral- und Westafrika (15 Prozent), Kleinkriminalität wie Entführungen und Schutzgelderpressung (10 Prozent) sowie Spenden und Zuwendungen (15 Prozent). Das Vermögen bin Ladens mache nur etwa 10 Prozent der Gesamtfinanzierung aus.

Wie Friedrich sagte, steckt das Terrornetzwerk das meiste Geld in Stützpunkte in Somalia und im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet sowie in die Unterhaltung radikaler Koranschulen (20 bis 50 Millionen Dollar). Der Experte sieht Möglichkeiten, die Terrorfinanzierung wirkungsvoll zu bekämpfen. Dazu müsse sich die internationale Gemeinschaft zu einer Liberalisierung des Drogenmarktes sowie strengeren Gesetzen beim illegalen Diamantenhandel durchringen, sagte Friedrich.

Der frühere BND-Chef August Hanning erwartet, das die Tötung Bin Ladens den islamistischen Terror zumindest langfristig schwächt. Es stehe keine Ersatzfigur bereit, die wie Bin Laden Jugendliche radikalisieren und für das Terrornetzwerk gewinnen könne, schreibt Hanning in einem Gastkommentar für das Handelsblatt.

Unmittelbar könne allerdings die Gefahr von Anschlägen nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland steigen. Auch für die große Mehrheit aller Muslime weltweit sei der Tod Bin Ladens eine gute Nachricht: "Zu Recht haben viele Vertreter muslimischer Gemeinschaften immer wieder darauf hingewiesen, dass man zwischen Terrorismus und Islam unterscheiden müsse und Bin Laden den Islam für seine Propaganda missbrauche."

Hanning, der während der großen Koalition Staatssekretär im Innenministerium war, erinnert daran, dass "Al Kaida die Entscheidung gefällt hat, auch in Deutschland Anschläge auszuführen." Die Festnahmen vor wenigen Tagen in Düsseldorf bestätigten erneut, dass diese Drohungen sehr ernst genommen werden müssten.

Die in Deutschland in den letzten Jahren geschaffene Sicherheitsarchitektur mit dem von Bund und Ländern gemeinsam getragenen Terrorabwehrzentrum habe sich bewährt, urteilt Hanning. Nach 2005 geschaffene Rechtsgrundlagen wie die BKA-Kompetenz zur Gefahrenabwehr und die Online-Durchsuchung von Computern hätten die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt.

Scharfe Kritik übt Hanning an einer aus seiner Sicht ungenügenden Bündelung von technischen Ressourcen: Sie müssten besser zusammengeführt werden, um "die immer komplexer und aufwändiger werdenden Verfahren gemeinsam weiterzuentwickeln. Es geht um technische Fähigkeiten und nicht darum, Erkenntnisse wie bei Big Brother zusammenzuführen. "

Hanning kritisiert auch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Sie habe mit einer Weisung an die Generalbundesanwältin den Strafverfolgungsbehörden des Bundes verboten, aufgrund der neu geschaffenen Befugnisse gewonnene Erkenntnisse im Strafverfahren zu verwerten. Vernünftige Prävention sei aber allemal besser als hektisches Handeln und gegenseitige Schuldzuweisungen nach einem Anschlag.

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