Hans-Olaf Henkel und Joachim Starbatty „Deutschland gehört auf die Couch“

Ihre Partei Alfa findet wenig Beachtung. Deshalb versuchen es Henkel und Starbatty jetzt mit einem Buch. Als Moderator für die Präsentation wurde Thilo Sarrazin ausgewählt. Der weiß, wie man Aufmerksamkeit auf sich zieht.

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Berlin Hans-Olaf Henkel und Joachim Starbatty sind sich einig: Deutschland ist krank, und zwar psychisch krank. Der frühere BDI-Präsident und der ehemalige Volkswirtschaftsprofessor behaupten in ihrem gemeinsam verfassten Buch „Deutschland gehört auf die Couch!“, ein Großteil der Bevölkerung habe sich, angetrieben von der politischen Elite, und als Folge der historischen Schuld in ein Helfersyndrom hineingesteigert. Deshalb wollten die Deutschen zwanghaft alles und jeden retten: Flüchtlinge, das Klima, Griechenland und marode Banken.

Als Hauptschuldige für diese „Krankheit“ haben die beiden Mitglieder der Kleinpartei Alfa Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) identifiziert. Mit Blick auf die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin erklären die zwei Abgeordneten des Europaparlaments: „Angela Merkel ist unfähig oder nicht willig, zuzugeben, dass sie einen katastrophalen Fehler beging.“

Doch keine Diagnose ohne Therapie. Der EU empfehlen die beiden Alfa-Männer die Einrichtung zentraler Aufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber „nahe den Außengrenzen“. Die Deutschen sollen den Bundespräsidenten künftig direkt wählen. Der CDU verschreiben Henkel und Starbatty eine Konservatismus-Kur.

Sie sagen, Merkel sollte als CDU-Vorsitzende zurücktreten – und ausgerechnet ihren früheren Kritiker Friedrich Merz auf den Schild heben. Merz hatte sich vor mehr als zehn Jahren aus der aktiven Politik zurückgezogen, weil er mit Merkels Reformkurs nicht einverstanden war. Eine solche Kurskorrektur der Christdemokraten hätte aus Sicht der beiden Autoren auch noch einen positiven Nebeneffekt: „Wir sind überzeugt, im gleichen Maße wie die CDU aus dem Umfragekeller herauskäme, würde die AfD in diesen absteigen.“ Henkel und Starbatty waren früher Mitglieder der AfD. Heute warnen sie vor den rechtspopulistischen Ideen der Partei.

Ihre Bekanntheit verdanken Henkel und Starbatty weder der AfD noch ihrer neuen Partei Alfa (Allianz für Fortschritt und Aufbruch), die bei der zurückliegenden Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern nur 0,3 Prozent der Stimmen erhalten hat. Henkel war in den 90er Jahren Chef von IBM Europa, dann Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Starbatty hat eine beachtliche akademische Karriere hinter sich. Über die Kritik an der Eurorettungspolitik haben die beiden zueinander gefunden. Heute sind sie, wie der Leser erfährt, Freunde.

In ihrem Buch erlauben sie sich eine Tour d'Horizon. Hier können sie all das loswerden, was sie immer schon einmal erzählen wollten. Sie werben für den Austritt Griechenlands aus der Eurozone, und – wenn das nicht geschehen sollte – für einen Rückzug Deutschlands aus der Währungsunion. Sie bezweifeln, „ob es den vielen Menschen ohne Bildung, die zurzeit nach Europa einwandern, gelingen kann, sich auf die Dauer hier zu integrieren – zumal, wenn sie streng muslimisch sind“.

Henkel und Starbatty klagen: „Wir kennen keinen deutschen konservativen Journalisten mehr.“ Die „schwarze Null“ von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) halten sie für eine Mogelpackung, „die sich freilich in ein hohes Minus bei Berücksichtigung des unausweichlichen Schuldenschnitts in Griechenland verwandelt“.

Es ist nach der Lektüre dieses Buches schwer zu sagen, was diese beiden Männer am meisten aufregt. Mit ihrer Kritik, in der Flüchtlingsfrage sei „per ordre de Mutti“ über die Köpfe der Bürger hinweg entschieden worden, stehen sie zumindest nicht alleine da. Auch Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) hatte im vergangenen Winter gefordert, der Bundestag müsse über die Flüchtlingspolitik abstimmen.

Der Beitrag von Moderator Thilo Sarrazin zur Buchpräsentation bleibt begrenzt. Der ehemalige Berliner Finanzsenator lobt das Werk und betont, er wolle sich weder von Alfa noch von der AfD, bei der er kürzlich zu Gast war, vereinnahmen lassen. Seine politische Heimat sei immer noch die SPD.

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