Hartz IV Warum sich Arbeit für viele nicht mehr lohnt

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Höhere Hartz-IV-Sätze mögen das Herz wärmen. Doch ökonomisch sind sie eine Gefahr. Sie führen unweigerlich dazu, dass sich immer mehr Menschen mit ihrer Stütze häuslich einrichten. Und sich dabei völlig rational verhalten: Je höher das Arbeitslosengeld, das der Staat zahlt, desto weniger lohnt sich die Annahme eines gering entlohnten Jobs. Je kleiner also die Differenz zwischen Stütze und Lohn, desto höher die Zahl der Arbeitslosen.

Das Sozialgesetzbuch legt zwar ein „Lohnabstandsgebot“ fest. Die staatliche Unterstützung für hilfebedürftige Familien, heißt es da, müsse unter den „durchschnittlichen Nettoarbeitsentgelten unterer Lohn- und Gehaltsgruppen“ liegen. Doch schon heute hat sich die Realität davon meilenweit entfernt. „Der Abstand zwischen Transfer- und Arbeitseinkommen schmilzt dahin“, sagt der Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Wolfgang Franz.

Die Menschenwürde braucht vor allem einen Job

Die Sache mit der Menschenwürde sieht Carola Schmidt daher pragmatisch. Was es für ihre Würde brauche, sagt sie, sei vor allem ein Job. Auch wenn rational betrachtet vieles dagegen spricht. Carola Schmidt arbeitet als Verkäuferin in einer Berliner Filiale der Drogeriemarktkette Schlecker. Ihren richtigen Namen will sie nicht genannt wissen, weil ihr die Sache mit dem Geld etwas peinlich ist. Kaum mehr als 1100 Euro netto verdient sie im Monat. Damit zähle sie unter den Kolleginnen zu den Top-Verdienerinnen.

Carola Schmidt hat drei Kinder. Über die Runden kommt sie nur, weil auch ihr Mann einen Vollzeitjob hat, der allerdings kaum besser bezahlt ist. Aber einfach nicht zu arbeiten – das käme für Carola Schmidt nie infrage. „Was soll ich zu Hause? Da würde mir nur die Decke auf den Kopf fallen“, sagt sie. Sie brauche einen Job. Allein, um den Kindern ein Vorbild zu sein.

Sozialpolitik steckt im Dilemma

Pro Stunde verdienen Carola Schmidt und ihre Kolleginnen genau 10,07 Euro. Brutto. Nach Modellrechnungen des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) liegt die Schwelle, ab der es sich für Hartz-IV-Empfänger lohnt zu arbeiten, im Durchschnitt zwischen zehn und zwölf Euro pro Stunde. Für Kinderlose ist dieser Anspruchslohn eher etwas niedriger, für kinderreiche Familien eher etwas höher. Niemand wird reich mit Hartz IV. Aber immerhin sichert der Staat ein Auskommen, das gering Qualifizierte mit ihrem ganz normalen Nettolohn plus Kindergeld kaum erreichen. Das gilt vor allem für Familienväter und -mütter. So steckt die Sozialpolitik im Dilemma: Sie will Kinder vor Armut schützen, daher steigt mit jedem Kind die Unterstützung. Doch gerade das sorgt oft dafür, dass Familien dauerhaft am Tropf des Staates hängen.

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