Hass gegen Seenotretter „Ich hoffe, ihr findet den Tod im Meer“

Politiker beraten, wie der Zustrom von Migranten nach Europa gestoppt werden kann. Davon weit entfernt, kämpfen Seenotretter gegen den Tod auf dem Meer. Aus der Mitte der Gesellschaft schlägt ihnen Hass entgegen.

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Zwar arbeiten die Helfer des Vereins ehrenamtlich und retten dutzenden Menschenleben, dabei sind sie jedoch enormen Belastungen ausgesetzt. Hasskommentare und Verleumdungen gehören zur Tagesordnung. Quelle: dpa

Valetta/Rom „Seid und bleibt stark. Wir Gutmenschen lieben euch“. Auf so viel Zuspruch stößt der Verein Iuventa Jugend rettet nicht alle Tage. Seit kurzem ist die private Hilfsorganisation aus Berlin wieder auf dem Mittelmeer im Einsatz, um Flüchtlinge und andere Migranten aus Seenot zu retten. Jan, Florian oder auch Nadja haben eigentlich anderes zu tun. Doch sie konnten die täglichen Meldungen über neue Unglücke und Tote nicht mehr ertragen. Für ihr Engagement sehen sie sich nun zusehends Anfeindungen ausgesetzt. Im Internet werden als „Menschenschleuser“ oder „Volksschädlinge“ beschimpft. „Ich hoffe, ihr findet den Tod im Meer“, lautete ein Hasskommentar.

„Das ist mental extrem problematisch für ehrenamtliche Arbeit“, sagt Pauline Schmidt, Pressesprecherin des Vereins. Die Stimmung Migranten gegenüber habe sich verändert - das merke der Verein, der sich ausschließlich über Spenden finanziert, auch an der Finanzlage. Derzeit nehme die Bereitschaft, für die Hilfseinsätze im Mittelmeer ein bisschen Geld springen zu lassen, merklich ab. „Und wir brauchen 40.000 Euro im Monat, um die Rettungen durchzuführen.“

Die Idee zu Jugend rettet ist 2015 entstanden, nachdem im April rund 800 Menschen bei dem wohl tragischsten Flüchtlingsunglück ums Leben gekommen waren. Ein Jahr später unterzeichnete der Verein den Kaufvertrag für das Schiff, „Iuventa“ wurde es schließlich getauft. Drei Tage nach dem Beginn der ersten Mission werden 426 Menschen aus Seenot gerettet, die in Holz- und Schlauchbooten unterwegs waren. Seitdem haben die jungen Retter den Tod von mehr als 6500 Menschen verhindern können.

Jugend rettet muss sich wie die vielen anderen zivilen Seenotretter derzeit gegen Vorwürfe wehren, dem Geschäft der Schlepper mit ihrer Präsenz im Mittelmeer in die Hände zu spielen. Die Vorwürfe kommen nicht nur aus deutschen Wohnzimmern, sondern von ganz offizieller Seite: Ende Februar kritisierte die EU-Grenzschutzagentur Frontex die Rettungseinsätze der Hilfsorganisationen vor Libyen. Die Geschäfte krimineller Netzwerke und Schlepper sollten nicht noch dadurch unterstützt werden, dass die Migranten immer näher an der libyschen Küste von europäischen Schiffen aufgenommen würden, hatte Frontex- Chef Fabrice Leggeri in einem Interview gesagt. Das führe dazu, dass Schleuser noch mehr Migranten auf die seeuntüchtigen Boote zwängen.

„Wir dürfen nicht zulassen, dass sich diese Aussage festsetzt“, sagt Hans-Peter Buschheuer, Sprecher der Nichtregierungsorganisation Sea Eye. „Wir sind definitiv kein Taxi für Flüchtlinge.“ Die Hypothese, die Arbeit der NGOs bringe noch mehr Menschen dazu, die Flucht nach Europa zu wagen, haben kürzlich Wissenschaftler der Universität Oxford und der UC Berkeley wiederlegt. Sie errechneten, dass die Zahl der Ankünfte von Migranten in Europa zwischen 2014 und 2016 in der Zeit mit den wenigsten Such- und Rettungseinsätzen am höchsten war.


Zwei Welten prallen aufeinander

Nach Frontex-Angaben wurden zuletzt 40 Prozent aller Aktionen durch die zivilen Retter im Mittelmeer durchgeführt. Viele von ihnen operieren von Malta aus. Dort könnten die Gegensätze nicht extremer sein. Das Schiff der privaten Seenot-Rettungsmission Migrant Offshore Aid Station (MOAS) liegt im Hafen nahe der maltesischen Hauptstadt Valletta zwischen gigantischen Luxusjachten. Die ganze Ungleichheit der Welt spiegelt sich hier in nebeneinander liegenden Booten. Jede Jacht kostet vermutlich mehr, als das, was die gesamte Rettungsmission an Geldern bekommt.

Und auch MOAS beklagt die gesunkene Spendenbereitschaft. „Wir haben nur noch wenig Mittel“, sagt Regina Catrambone, die MOAS zusammen mit ihrem Mann vor drei Jahren gegründet hat. Die Stimmung in der Bevölkerung habe sich im vergangenen Jahr gegen Migranten gedreht. Außerdem gebe es mittlerweile so viele private Rettungs- Organisationen, die um Geld von Spendern werben.

Für MOAS, die seit ihrer Gründung 34.000 Menschen gerettet hat, ist unsicher, wie es weitergeht. „Man kann nicht gleichgültig sein. Man muss helfen. Es ist ein Erlebnis, das dein Leben verändert. Auf einmal schätzt du die normalen Dinge des Lebens wert, zum Beispiel ein Badezimmer“, sagt Catrambone.

Auch die Retter von MOAS sind Hasskommentaren im Netz ausgesetzt. „Es ist eher die Regel nicht die Ausnahme“, sagt Sprecher Giulio Tiberio Marostica. Abhängig sei das von konkreten Ereignissen, wie zum Beispiel den Terroranschlägen in Brüssel. Mittlerweile würden wüste Beschimpfungen blockiert.

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