Hasskommentare Datenschützer zerpflückt Facebook-Gesetz

Die Kritik am Gesetz gegen illegale Hasskommentare im Internet reißt auch nach seinem Inkrafttreten nicht ab. Der Hamburger Datenschützer Johannes Caspar bemängelt, dass der Bund die Umsetzung der Regeln überwacht.

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Facebook ist Mitglied der Task Force gegen illegale Hasskommentare im Internet. Quelle: AP

Berlin Wenn sich die Task Force gegen illegale Hasskommentare im Internet an diesem Donnerstag im Bundesjustizministerium zum vorläufig letzten Mal trifft, wird es wenig zu besprechen geben. Die Tagesordnung ist überschaubar. 90 Minuten hat das Ministerium angesetzt, um sich über die Umsetzung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) auszutauschen.

Für die betroffenen Unternehmen, darunter soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter, ist das kein angenehmer Termin. Denn eigentlich war der Auftrag der von Justizminister Heiko Maas (SPD) vor zwei Jahren ins Leben gerufenen Task Force, gemeinsam Maßnahmen für die Bekämpfung von rechtswidrigen Hassbotschaften zu überlegen. Von einer gesetzlichen Regelung war ausdrücklich nicht die Rede. Maas vertraute lange Zeit darauf, dass die Internetunternehmen selbst die Probleme mit anstößigen Inhalten auf ihren Plattformen in den Griff bekommen.

Ein Jahr nach Gründung der Task Force musste der Minister jedoch nach einem ersten Test der Beschwerdemechanismen der Unternehmen ernüchtert feststellen, dass Facebook, Google und Twitter nach wie vor zu wenig strafbare Hassbotschaften löschen, die ihnen von Nutzern gemeldet werden. Maas setzte daraufhin eine Frist bis März 2017. Doch ein weiteres Monitoring zeigte kaum Besserung. Darauf kündigte der Minister ein Gesetz an, das schließlich im Juni vom Bundestag beschlossen wurde.

Der Widerstand gegen das Gesetz war von Anfang an erheblich. Kritiker warnen bis heute, dass die Fristen die Online-Firmen dazu verleiten könnten, in unklaren Fällen eher zu löschen, um nicht Gefahr zu laufen, mit Geldstrafen belegt zu werden. Das Justizministerium konterte stets, es gehe nur um bereits strafbare Inhalte, Geldstrafen solle es nur bei systematischen Verstößen geben.

Facebook, das in der Debatte um das Gesetz zu den Kritikern des Vorhabens gehörte, erklärte, die Umsetzung des Gesetzes sei „komplex“. Das Online-Netzwerk habe viel Zeit und Ressourcen investiert, um dem Gesetz zu entsprechen und arbeite hart daran, die richtigen Prozesse für die verschiedenen Bestimmungen aufzusetzen. Ob dies in der gewünschten Form gelingt, überwacht das Bundesamt für Justiz (BfJ), das bei Gesetzesverstößen auch Bußgeldverfahren gegen die Plattformbetreiber einleiten kann.

Die Bundeszuständigkeit hält der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar, bundesweit für Facebook zuständig, für falsch. „Zur Durchsetzung der Regelungen und Verhängung von Bußgeldern in diesem sensiblen Bereich für die Meinungsfreiheit wäre eine regierungsunabhängige Stelle, wie die Landesmedienanstalten, weit besser als Aufsichtsbehörden geeignet als das Bundesamt für Justiz“, sagte Caspar dem Handelsblatt. 

Immerhin habe der Gesetzgeber am Ende noch nachgesteuert und die Möglichkeit eingeräumt, das Beschwerdemanagement und die Prüfung einer staatlich zertifizierten unabhängigen Stelle zu überlassen. Betroffene Betreiber von sozialen Netzwerken mahnte Caspar daher, nun „im Eigeninteresse“ eine solche Stelle der regulierten Selbstregulierung zu schaffen.

Das NetzDG ist am 1. Oktober mit einer Übergangsregelung in Kraft getreten. Es verpflichtet Online-Netzwerke, Beschwerden über Hasskriminalität und andere strafbare Inhalte umfassender zu bearbeiten und diese schneller zu löschen.


„Der Druck sollte zunächst einmal aufrechterhalten werden“

Die am heftigsten diskutierten Regelungen des Gesetzes wie die Fristen von 24 Stunden bzw. einer Woche zum Löschen strafbarer Inhalte greifen erst nach der dreimonatigen Übergangsregelung zum 1. Januar. Dann sollen sich Nutzer auch beim Bundesamt für Justiz beschweren können, wenn eine Beschwerde aus ihrer Sicht nicht ordnungsgemäß bearbeitet wurde.

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz sieht vor, dass „offensichtlich strafbare“ Inhalte innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde gelöscht oder gesperrt werden müssen. In weniger eindeutigen Fällen haben die Online-Netzwerke eine Woche Zeit für eine Entscheidung. Das Justizministerium erklärte, dass unter Umständen auch mehr Zeit eingeräumt werde: „Sofern die Entscheidung über die Rechtswidrigkeit des Inhalts von der Unwahrheit einer Tatsachenbehauptung oder erkennbar von anderen tatsächlichen Umständen abhängt, kann das soziale Netzwerk dies erst überprüfen und darf hierfür gegebenenfalls länger als 7 Tage benötigen.“

Kritisch sieht der Datenschützer Caspar auch, dass im NetzDG keine „Evaluierungsklausel“ eingefügt worden sei. „Dennoch halte ich eine unabhängige Evaluation für alternativlos“, sagte er. Ein „gesetzgeberisches Nachsteuern“ sei dann immer noch möglich. „Gleichwohl sollte eine neue Koalition das Netzwerkdurchsetzungsgesetz nicht gleich wieder aufheben“, fügte Caspar hinzu.  Das Gesetz sei erlassen worden, nachdem über Jahre hinweg die Netzwerkbetreiber zu einem wirksamen Vorgehen gegen Fake News und Hate Speech „nicht wirklich willens“ gewesen seien. „Wer nicht zur eigenverantwortlichen Selbstkontrolle bereit ist, darf sich nicht wundern, wenn die Vorgaben am Ende unmittelbar per Gesetz erfolgen.“

Caspar riet  daher dazu, zunächst abzuwarten, wie sich die Regelungen in der Praxis bewährten und ob die von den Kritikern befürchteten negativen Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit tatsächlich einträten. „Ich gehe hiervon nicht aus“, sagte Caspar. „Das Gesetz statuiert keine neuen Löschpflichten, sondern hat deren effektive Umsetzung zum Gegenstand.“ Gerade gegenüber den wenigen Betreibern der vom Gesetz regulierten Plattformen wäre es aus Sicht Caspars „ein fatales Zeichen, erreichte Vorgaben zur Kontrolle, bevor sie in der Praxis wirksam werden, ersatzlos einzukassieren“. Die Erfahrung in diesem Bereich zeige, dass „ohne Druck auf die verantwortlichen Stellen Compliance kaum herstellbar“ sei. „Dieser Druck sollte daher zunächst einmal aufrechterhalten werden.“

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