Heidenau Wie rechts ist Deutschlands Osten?

Immer mehr Flüchtlinge kommen nach Deutschland. Doch der Osten hat mehr Schwierigkeiten mit der Migration als gedacht, meint nun der Sprecher der Länderinnenminister. Der Osten mag das nicht auf sich sitzenlassen.

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Vergangene Woche hatte Angela Merkel eni Flüchtlingsheim besucht. Einige Bürger waren davon nicht begeistert. Quelle: AFP

Berlin Die Unterstützung von Bürgern für rechtsradikale Anti-Asyl-Proteste im sächsischen Heidenau hat einen Streit über die Fremdenfeindlichkeit Ostdeutschlands entfacht: Anders als die ostdeutschen Ministerpräsidenten sieht der Vorsitzende der Innenminister-Konferenz, Roger Lewentz (SPD), im Osten „eine größere Bereitschaft zu einer fremdenfeindlichen Radikalisierung“ als im Westen. Das zeige auch das vom Bundesrat für das NPD-Verbotsverfahren nachgelieferte Beweismaterial, sagte der rheinland-pfälzische Minister der „Welt“ (Montag).

In den am Freitag eingereichten Unterlagen seien 370 Ereignisse aufgelistet, die die NPD beträfen und sich überwiegend im Osten abgespielt hätten. Im Osten würden deutlich weniger Flüchtlinge und Migranten als im Westen leben, und doch sei die Aggressivität dort besonders hoch. „Das ist bedrückend und befremdlich“, sagte Lewentz.

Mit Blick auf die jüngsten Proteste im sächsischen Heidenau und Angriffe gegen Asylunterkünfte sagte Lewentz der „Welt“: „Im Osten ist es offenkundig so, dass Migranten Angst und Fremdenfeindlichkeit auslösen. Und zwar in einem Ausmaß, das wir im Westen nicht für möglich gehalten haben.“ Ostdeutschland habe über Jahrzehnte nicht den umfangreichen Zuzug aus anderen Kulturen gekannt. „Das Zusammenleben mit Menschen mit Migrationshintergründen muss gelernt werden“, analysierte der SPD-Politiker.

Linksfraktionschef Gregor Gysi warnte aber vor pauschalen Urteilen. „Was in Dresden und in der Umgebung passiert, ist ja nicht typisch für Ostdeutschland. Auch dort gibt es klare Mehrheiten gegen den Rechtsextremismus“, sagte Gysi der „Saarbrücker Zeitung“ (Montag). Außerdem sei es beim Rechtsextremismus immer so gewesen: „Die Anführer kamen aus dem Westen, das Fußvolk aus dem Osten.“


„Weltoffen und solidarisch“

Auch die Ost-Ministerpräsidenten hatten am Wochenende davor gewarnt, ihre Länder an den Pranger zu stellen. Man solle sich hüten, „vorschnell von einem ostdeutschen Phänomen zu sprechen“, sagte Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) der „Welt am Sonntag“. Sein Thüringer Kollege Bodo Ramelow (Linke) erklärte „Die Hotspots der braunen Gewalt liegen in allen Himmelsrichtungen verteilt.“ Sachsen-Anhalts Reiner Haseloff (CDU) sagte dem „Tagesspiegel“: „Die große Mehrheit der Ostdeutschen ist weltoffen und solidarisch.“

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte gerade die Prognose erhöht. Demnach werden 2015 bis zu 800.000 Flüchtlinge nach Deutschland kommen - vor allem mehr Menschen aus Syrien werden in Deutschland Zuflucht suchen wollen. Die Lage in Transitländern wie der Türkei oder im Libanon werde schlechter und die Hoffnungslosigkeit der Syrer größer, sagte Behördenpräsident Manfred Schmidt in einem Interview von Spiegel Online laut Vorabmeldung vom Sonntagabend. Viele, die in Nachbarländer geflohen seien, hätten eigentlich zurückkehren wollen. „Aber jetzt merken sie: In Syrien wird die Lage immer schlimmer.“ Sie wollten jetzt dahin, wo sie eine Chance sähen, ihr Leben aufzubauen. Hinzu kämen schätzungsweise 200.000 Familienangehörige von Syrern, die in Deutschland ein Aufenthaltsrecht bekommen könnten.

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