Heiko Maas Facebook und Co. sollen bis März besser gegen Hassbotschaften vorgehen

Wie umgehen mit Hass-Propaganda im Netz? Laut Minister Maas löschen die Netzwerke inzwischen zwar schneller strafbare Inhalte, doch das ist nicht genug. Facebook veröffentlicht erstmals Zahlen zu entfernten Beiträgen.

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Justizminister Heiko Maas setzt sozialen Netzwerken eine Frist im Kampf gegen Hassbotschaften. Quelle: AP

Strafbare Inhalte im Internet werden nach Ansicht von Bundesjustizminister Heiko Maas noch immer „viel zu wenig und viel zu langsam“ gelöscht. Das größte Problem liege darin, dass die Beschwerden von Nutzern häufig nicht ernstgenommen würden, sagte der SPD-Politiker in Berlin. „Von den strafbaren Inhalten, die User melden, löschte Twitter gerade einmal ein Prozent, Youtube nur zehn und Facebook 46 Prozent. Das ist zu wenig.“ Wendeten sich aber Institutionen wie jugendschutz.net direkt an die Netzwerke, sei der Anteil gelöschter Inhalte deutlich höher.

Im Kampf gegen Hasskommentare im Netz hatte sich eine im September 2015 gegründete Task Force mit den Internet-Unternehmen darauf geeinigt, dass gemeldete und strafbare Beiträge innerhalb von 24 Stunden entfernt werden sollen. Laut einer ersten Bilanz von jugendschutz.net löschte YouTube 96 Prozent und Facebook 84 Prozent der Beiträge, wenn die Organisation selbst diese meldete. „Davon wird bei beiden immerhin die Hälfte innerhalb von 24 Stunden gelöscht. Das ist deutlich schneller als noch im Frühjahr“, sagte Maas. „Die Lage ist besser geworden, aber sie ist noch lange nicht gut.“ Die Ergebnisse seien „zwiespältig“. Maas setzt sozialen Netzwerken eine Frist bis März, um ihr Vorgehen gegen Hassbotschaften im Internet zu verbessern. Andernfalls schließe er rechtliche Maßnahmen nicht aus, sagte der SPD-Politiker.

Eines der größten Problem bleibe die fehlende Transparenz, betonte der Minister. „Wir sollten daher prüfen, ob wir Soziale Netzwerke verpflichten, offenzulegen, wie viele Beschwerden wegen illegaler Hass-Kommentare sie bekommen haben und wie sie damit umgegangen sind.“

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Eine Lehrerin bezeichnete sich als "die Aufseherin von künftigen Kriminellen" Quelle: dpa

Daniel Schwammenthal vom American Jewish Committee prangerte die Fälle an, in denen erklärt worden sei, dass eindeutige Hassrede nicht gegen die Regeln verstoße. Das sei „unerklärlich und unerträglich“, kritisierte er. „Es muss eine Erklärung geben, wie einige dieser Entscheidungen zustandekommen.“ Mehr Transparenz sei nötig: „Wer kontrolliert die Kontrolleure? Wie vergewissert man sich, dass diese nicht selbst rassistisch sind?“

Zugleich nannte Facebook erstmals eine eigene Zahl zu entfernten Beiträgen: Innerhalb des vergangenen Monats seien in Deutschland rund 100.000 Inhalte mit Hassrede gelöscht worden, sagte der europäische Politik-Verantwortliche Richard Allan. Das Online-Netzwerk macht allerdings keine Angaben dazu, wie viele Meldungen in dieser Zeit insgesamt erstattet wurden und wie sich die Zahl gelöschter Inhalte in den vergangenen Monaten entwickelte. Zugleich gibt Facebook zu bedenken, dass Nutzer-Meldungen nicht immer berechtigt seien: So würden sich Fans von Fußballmannschaften bei emotionsgeladenen Spielen auch Hassrede vorwerfen.

„Wir sind nicht perfekt“, räumte Allan ein. Die Meldungen zu Hassbotschaften würden grundsätzlich nicht von Software, sondern von Menschen geprüft. Eine Schwierigkeit sei, dass Facebook ganz genau verstehen müsse, welche Sprache im Jahr 2016 für Hassrede verwendet werde. „Und die ist anders als noch 2013.“

Derweil forderten die Grünen die Bundesregierung auf, Facebook noch stärker in die Pflicht zu nehmen. „Vor allem brauchen wir klare vom Staat definierte Spielregeln statt windiger Vereinbarungen auf der Basis von Freiwilligkeit“, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Dieter Janecek, dem „Handelsblatt“. „Fakt ist: Unser Rechtsstaat hat vor Facebook kapituliert und sich auf einen Scheindeal freiwilliger Vereinbarungen eingelassen, die schädlich für unser Zusammenleben sind.“ Der Rechtsstaat biete Möglichkeiten, gegen Beleidigungen, Hetze und sonstigen Regelübertretungen konsequent vorzugehen. Allerdings gebe es ein Problem mit der konkreten Umsetzung, das das US-Unternehmen versuche, sich deutscher Rechtsetzung zu verweigern, kritisierte Janecek. „Das können wir nicht länger hinnehmen.“

EU-Kommissarin Vera Jourova zeigte sich in Berlin überzeugt, „dass wir bei der Selbstregulierung bleiben können.“ Die Menschen in Skandinavien hätten oft ein anderes Verständnis von Gewalt als etwa in Rumänien. „Für Europa muss aber ganz eindeutig klar sein: Hass und Gewalt sind inakzeptabel. Wir dürfen uns auch nicht verlieren in Diskussionen, was etwa Gewalt ist.“

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