Hermann Genz Der ungewöhnlichste Arbeitsvermittler Deutschlands

Hermann Genz ist einer der ungewöhnlichsten Arbeitsvermittler des Landes. Sein Credo lautet: Die Hartz-Reformen waren ein Erfolg, wenn man sie so umsetzt wie er – kompromisslos und herzlich zugleich.

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Hermann Genz vor seiner Jobcenter-Filiale Quelle: Bert Bostelmann für WirtschaftsWoche

Hermann Genz steht mitten auf der Straßenkreuzung. Kein Verkehr gerade. Aber Genz macht ohnehin nicht den Eindruck, als könnten ein paar Autos ihn jetzt stören. Er muss erst einmal erklären, was ihm wichtig ist. Mit der runden Brille und dem Schnauzer, eingewickelt in Mantel und Schal, könnte er bestens als Anwalt durchgehen, als Steuerberater oder Apotheker. Aber Genz gibt seine Lieblingsrolle: den Konfrontationstherapeuten.

Sein linker Arm zeigt die Straße runter. „Sehen Sie die Tankstelle da hinten?“ Jede Nacht versammeln sich dort Bulgaren und Rumänen, nur um darauf zu warten, dass pünktlich um drei Uhr Kleintransporter kommen, die die Männer auf Baustellen karren. Oder sonst wohin für irgendwelche Maloche. „Das also“, sagt Genz, „ist unser Arbeiterstrich.“ Dann, er steht noch immer auf dem Asphalt auf Höhe des Mittelstreifens, zeigt sein rechter Arm auf das Eckhaus direkt vor ihm. „Und hier, das sind wir.“ Er lächelt grimmig. „Die Konkurrenz.“

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60 Meter, vielleicht 70, mehr sind es nicht, die zwei Welten voneinander trennen: legal von illegal, die Schwarzarbeit von ihrer Konkurrenz – dem deutschen Sozialstaat.

„JobBörse“: Wenn die Männer nachts im blauen Glimmen der Tankstelle auf ihre Kuriere und die Arbeit warten, können sie stets den roten Schriftzug über der Eingangstür sehen, die Aushänge der Stellenangebote in den Schaufenstern und ebenso die aufgeräumten Schreibtische der Berater. Ein stummes Angebot, penetrant und gleichzeitig offen und einladend. Nacht für Nacht.

Die JobBörse sendet genau die Botschaft, wie Hermann Genz sie haben will: Ein anderes Leben ist nur 60 Schritte entfernt. Es könnte ein besseres sein.

Ihr habt die Wahl.

WirtschaftsWoche: Herr Genz, wir sind in Jungbusch, einem Mannheimer Multikulti-Stadtteil. Was macht das Jobcenter ausgerechnet hier mit einer Außenstelle?

Hermann Genz: Ganz einfach: Wir stören.

Wie bitte?

Jungbusch war stets ein klassisches Zuwandererquartier. Aber vor zwei, drei Jahren haben wir anerkennen müssen, dass wir mit dem Zuzug von Bulgaren und Rumänen ein echtes Problem haben. Bei uns im Jobcenter gingen immer mehr Anträge auf Unterstützung ein, dem wollten wir nicht mehr einfach nur zusehen. Also mussten wir raus. Dahin, wo die Leute sind.

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Nach stören klingt das aber nicht gerade.

Doch, wir pflegen hier das offene Wort. Ich sage jedem Antragsteller: Wir sind anstrengend, ihr habt euch ein kompliziertes Land ausgesucht. Es gibt Gesetze, Vorschriften, Pflichten und Dienstwege – und das Dümmste ist: Wir halten uns auch noch dran. Aber ich sage ihnen eben auch, dass wir mit unserem ganzen Arsenal helfen, das wir haben, wenn sie sich für den geraden Weg entscheiden.

Und das funktioniert?

Der Arbeiterstrich ist jedenfalls schon viel kleiner geworden. Für mich ist entscheidend, dass wir diejenigen abfischen, die arbeiten wollen. Die müssen wir hier in die JobBörse hineinbekommen und ihnen passende Angebote unterbreiten. Den Rest erledigt die Mund-zu-Mund-Propaganda für uns. Glauben Sie mir: Wenn wir jemandem hier etwas Besseres anbieten als zwielichtige Plackerei auf einer Baustelle oder Schrottschleppen im Dunkeln, wissen es morgen in deren Community alle.

Sie haben die Filiale vor etwas mehr als einem Jahr eröffnet, sechs Mitarbeiter sind täglich vor Ort, darunter auch eine bulgarische Muttersprachlerin. Lohnt sich dieser große Aufwand?

Wenn er sich nicht lohnen würde, hätten wir nicht mittlerweile zehn solcher Börsen in ganz Mannheim. Außerdem ist der Auftrag überall ein wenig anders, je nach Ort und Klientel. Was die Börse hier in Jungbusch angeht, darf man nicht naiv sein: Die Zuwanderer gehen nicht mehr in ihre Heimat zurück, wer das glaubt, macht sich was vor. Also sollten wir uns kümmern.

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