Höcke, Pretzell, Gauland AfD sucht Nähe zu französischen Rechtsextremen

Führende AfD-Politiker werben für eine Kooperation mit der Front National im EU-Parlament. Eine Zusammenarbeit mit den französischen Rechten soll aber nur ein „Zwischenschritt“ zu einem größeren Bündnisprojekt sein.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Die AfD-Landesvorsitzenden Alexander Gauland (l.. Brandenburg) und Björn Höcke (Thüringen): Große Pläne auf EU-Ebene. Quelle: dpa

Berlin Spitzenpolitiker der AfD machen keinen Hehl daraus, wo sie ihre Partei gerne sähen – in der Nähe der rechtsextremen, ausländerfeindlichen Front National (FN). Am Wochenende forderte der Thüringer Landeschef Höcke ein Treffen von Parteichefin Frauke Petry mit der FN-Vorsitzenden Marine Le Pen, „um sich auszutauschen und zu sehen, wo es Gemeinsamkeiten gibt“. Petry selbst soll jedoch schon klargemacht haben, dass sie kein Treffen mit Le Pen geplant habe. Doch ihr Lebensgefährte, der AfD-Europaabgeordnete Pretzell, ist da schon weiter.

Pretzell will sich der  von Le Pen angeführten EU-Fraktion „Europa der Nationen und der Freiheit“ (ENF) anschließen. Zur ENF gehören neben der FN auch die Freiheitspartei des niederländischen Islam-Gegners Geert Wilders, die italienische Lega Nord und die rechtspopulistische FPÖ aus Österreich.

In der AfD ist eine Zusammenarbeit mit der FN umstritten. So hatte etwa Parteichef Jörg Meuthen Vorbehalte geäußert. Der stellvertretende AfD-Bundesvorsitzende Alexander Gauland erklärte hingegen kürzlich in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ): „Man muss die FN ja nicht lieben, aber es kann der Moment kommen, in dem man sagen muss, wir können mit dem FN zusammenwirken, auch wenn wir nicht mit allem einverstanden sind, wofür er steht.“

Dieses Zusammenwirken soll allerdings erst der Anfang einer größeren Entwicklung sein. Pretzell, der auch Chef der NRW-AfD ist, zitiert auf seiner Facebook-Seite den FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky, der von einem „Zwischenschritt zur nächsten Etappe“ spricht. Die „Freiheitliche Partei Österreichs“ (FPÖ) ist ein wichtiger Partner für die AfD. Um ihre Zusammenarbeit zu forcieren haben sich beide zu einer „Blauen Allianz“ zusammengeschlossen.

Vilimsky, der die FPÖ-Delegation im EU-Parlament anführt,  nennt denn auch klar beim Namen, worum es dabei geht: Die Zusammenführung EU-kritischer Kräfte unter dem Dach einer gemeinsamen Fraktion. Der Österreicher und AfD-Freund hat dabei auch die von der rechtspopulistischen britischen UKIP-Partei dominierte EFDD im Blick, der auch Pretzells Parteikollegin Beatrix von Storch angehört.


„Die AfD ist Teil einer großen europäischen Bewegung“

Mit Blick auf die Ukip-Vertreter im EU-Parlament betont Vilimsky die Gemeinsamkeiten, die, wie er sagt, schon jetzt wesentlich bedeutender seien als das Trennende, „das zum Teil nur noch aus den Fraktionsgrenzen besteht“. Allerdings wären etwaige Überlegungen einer Zusammenarbeit hinfällig, sollten die Briten am 23. Juni für einen EU-Ausstieg votieren. Sowohl die britischen Konservativen als auch Ukip müssten dann das Europaparlament verlassen.

Das jedoch würde der FPÖ und der AfD wiederum in die Hände spielen. Denn beim Brexit-Szenario würde die EFDD-Fraktion von Ukip nicht mehr existieren. Viele Abgeordnete von rechtspopulistischen Kleinparteien müssten sich eine neue Fraktion suchen.

Wohin die Reise dann geht, liegt für Vilimsky auf der Hand. „Was jahrzehntelang nicht möglich war, nämlich eine kontinentale Allianz patriotischer, freiheits- und demokratieliebender Parteien, manifestiert sich nun Zug um Zug“, sagt er. Die Widerstände dagegen seien zwar enorm, aber es gelinge, Etappe um Etappe zu nehmen. „Das gibt die Kraft, dieses Bündnis größer, stärker, effizienter zu machen.“

In der AfD wird eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den rechtsnationalen Parteien Europas gutgeheißen. In einem Schreiben, das Vorstandsmitglieder wenige Tage vor dem Stuttgarter Parteitag an alle Parteimitglieder schickten, heißt es: „Die AfD beschreitet keinen deutschen Sonderweg. Sie ist im Gegenteil Teil einer großen europäischen Bewegung.“ Die Alternative für Deutschland wolle dazu beitragen, dass aus dem Stimmengewirr der Parteien, die sich derzeit noch auf unterschiedliche Fraktionen des EU-Parlaments verteilten, „ein gemeinsamer Chor“ werde.

Petry sieht hierbei ihre Partei in einer wichtigen Funktion. Zu dem Schreiben erklärte sie: „Die AfD erweist sich zunehmend als die politische Klammer eines EU-kritischen Europas.“

Das erklärt möglicherweise auch, warum der Thüringer AfD-Chef Höcke nun darauf dringt, dass sich Petry mit der FN-Chefin Le Pen trifft. Es gehe darum, ob man Vertrauen zwischen den führenden Köpfen beider Parteien aufbauen könne, sagte Höcke der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. „Wenn das der Fall ist, kann man über verschiedene Formen der Zusammenarbeit entscheiden.“ Die Front National „setzt sich wie die AfD gegen eine weitere Überfremdung ein und für den Erhalt der Identität der europäischen Völker“, sagte Höcke.

Höcke gilt als wichtigster Vertreter des rechtsnationalen AfD-Flügels und Widersacher von Parteichefin Petry. Vergangenes Jahr hatte er der FN zu ihren Wahlerfolgen gratuliert und dafür Kritik aus der Parteispitze bekommen. Doch inzwischen hat sich der Wind, so scheint es, gedreht.


„Im Gärungsprozessgeht es nur um den Grad der Radikalität“

Für den Passauer Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter steht außer Frage, dass die AfD ihren Platz im rechten Spektrum sucht. „Im Gärungsprozessgeht es nur um den Grad der Radikalität oder der Mäßigung“, sagte Oberreuter dem Handelsblatt. Die Frage eines „unmittelbaren Kontakts“ zu Le Pen sieht der Experte als ein „Element dieses Prozesses“, wobei der Wechsel Pretzells in die entsprechende EU-Fraktion die Richtung vorgebe.

Le Pen wolle auf die AfD zugehen, während AfD noch überlege, wohl auch deshalb, so Oberreuter, um derzeit nicht durch „symbolische Gesten“ Kritik auf sich ziehen. „Aber es wird wohl auf Kooperation hinauslaufen“, ist sich der Politikwissenschaftler sicher.

Eine größere EU-kritische Fraktion im Europaparlament würde sich nach Einschätzung Oberreuters einreihen in eine schon laufende Entwicklung. „Der Rechtsruck in Europa ist längst da, wen man ihn an der gewachsenen Zahl der EU-Skeptiker festmacht und auch an der Distanzierung gegenüber  Integrationsidealismen seitens ostmitteleuropäischer Regierungen“, sagte er.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%