Ifo-Chef Fuest Top-Ökonom plädiert für Steuersenkungen

Steuereinnahmen und Sozialabgaben füllen die öffentlichen Kassen. Der deutsche Fiskus steht so gut da wie lange nicht mehr. Schon werden Forderungen nach Entlastungen für Bürger und Unternehmen laut.

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„Die Abflachung des Mittelstandsbauches bei der Einkommensteuer wäre ein guter Ansatz.“ Quelle: dpa

Berlin Der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, hat sich für Steuersenkungen ausgesprochen. Vorübergehende, konjunkturbedingte Schwankungen in den Staatsfinanzen sollten zwar „kein Grund sein, Ausgaben zu steigern oder Steuern zu senken“, sagte Fuest dem Handelsblatt mit Blick auf den im ersten Halbjahr erzielten Rekord-Haushaltsüberschuss. „Deutschland hat allerdings seit längerer Zeit eine steigende Steuerquote.“

Grundsätzlich sei es eine Frage der politischen Wertung, ob es höhere Steuern mit höheren Staatsausgaben oder niedrigere Steuern mit niedrigeren Ausgaben geben solle, sagte Fuest weiter. Aber: „Wenn die Politik in Deutschland die Rolle des Staates in der Wirtschaft nicht ausdehnen will, sollte sie Steuern senken. Die Abflachung des Mittelstandsbauches bei der Einkommensteuer wäre ein guter Ansatz“, schlug der Ifo-Chef vor.

Nach vorläufigen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes hat der deutsche Staat wegen der soliden Konjunktur und guten Arbeitsmarktlage einen Rekordüberschuss im ersten Halbjahr erzielt. Bund, Länder, Gemeinden und Sozialkassen nahmen unterm Strich 18,5 Milliarden Euro mehr ein als sie ausgaben. Bezogen auf die gesamte Wirtschaftsleistung lag das Plus bei 1,2 Prozent. Aus der Politik kamen Forderungen nach Steuerentlastungen. Das Bundesfinanzministerium reagierte aber verhalten auf den Milliardenüberschuss.

Für die Monate Januar bis Juni haben die Statistiker noch nie einen derart kräftigen Überschuss errechnet. Es war das größte Plus seit der zweiten Jahreshälfte 2000, als die Versteigerung von UMTS-Mobilfunklizenzen Sondereinnahmen in Milliardenhöhe in die Kassen gespült hatte. Den zunächst für die ersten sechs Monate 2015 errechneten Überschuss von 21,1 Milliarden Euro korrigierten die Statistiker nach eigenen Angaben vom Mittwoch auf rund 14 Milliarden Euro nach unten.

Das Finanzministerium in Berlin sieht sich in seiner Politik bestätigt. Der Überschuss sei auf eine „solide Haushaltspolitik“ zurückzuführen. Allerdings könne man aus dem Halbjahresergebnis nicht schon auf das ganze Jahr 2016 schließen, sagte ein Sprecher.

Von Januar bis Juni füllten Steuern (plus 4,8 Prozent) und Sozialbeiträge (plus 4,2 Prozent) dank der guten Lage auf dem Arbeitsmarkt und der stabilen Konjunktur die öffentlichen Haushalte von Europas größter Volkswirtschaft. Zudem profitierte der deutsche Fiskus von der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB).

Der Staat kann sich derzeit billiger Geld leihen als früher. Seine Zinsausgaben sanken nach Angaben der Wiesbadener Behörde im ersten Halbjahr insgesamt um 13,8 Prozent.

Deutschland ist damit weit entfernt von der Schuldenobergrenze des Euro-Stabilitätspaktes. Erlaubt ist höchstens ein Defizit von 3,0 Prozent der Wirtschaftsleistung. Zuletzt verfehlte die Bundesrepublik diese Marke 2010 mit einem Minus von 4,2 Prozent im Gesamtjahr.


CSU will Soli kippen

Der CSU-Politiker Reiner Meier forderte, den Überschuss für eine Streichung des Solidaritätszuschlags zu nutzen. Der Bund verfüge momentan über genügend finanziellen Spielraum, um den „Soli“ in einer ersten Stufe zu halbieren, meinte der stellvertretende Chef der Arbeitnehmergruppe in der Unions-Bundestagsfraktion.

CDU und CSU hatten sich darauf verständigt, den „Soli“ von 2019 bis 2029 schrittweise abzuschaffen. Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) sieht nun „genügend Spielräume für eine maßvolle Steuerentlastung der kleinen und mittleren Einkommen“.

Im zweiten Quartal blieb die deutsche Wirtschaft auf Wachstumskurs, drosselte nach dem starken Jahresauftakt allerdings ihr Tempo etwas. Von April bis Juni stieg das Bruttoinlandsprodukt - getrieben vor allem vom Außenhandel - gegenüber dem Jahresanfang um 0,4 Prozent, wie die Statistiker erste Berechnungen bestätigten. Im ersten Quartal war die deutsche Wirtschaft noch kräftiger um 0,7 Prozent gewachsen.

Zwar verlor der Export angesichts der Eintrübung der Weltwirtschaft an Schwung. Von April bis Juni gingen aber immer noch 1,2 Prozent mehr Waren und Dienstleistungen ins Ausland als im Vorjahreszeitraum. Die Importe sanken hingegen leicht. Unter dem Strich trug der Außenhandel damit maßgeblich zum Wachstum bei.

Auch die Ausgaben des Staates unter anderem für die Unterbringung und Integration Hunderttausender Flüchtlinge sowie die Konsumfreude der Verbraucher gaben Impulse. Sinkende Investitionen am Bau und der Unternehmen in Ausrüstungen wie Maschinen bremsten dagegen. Zum Jahresanfang hatte die Baubranche vom milden Winter profitiert, Projekte wurden vorgezogen. Dieser Effekt entfiel im zweiten Quartal.

Ökonomen rechnen damit, dass Deutschland trotz des Brexit-Votums, eingetrübter Aussichten für die Weltwirtschaft und politischer Krisen rund um den Globus vorerst auf Wachstumskurs bleibt. Impulse dürften dabei vor allem aus dem Inland kommen.

Am besten stand der Bund in Sachen Staatsfinanzen im ersten Halbjahr da. Auf ihn entfiel mit 9,7 Milliarden Euro knapp die Hälfte des Überschusses.

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