IG Metall Die Zurückhaltung ist vorbei

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Hohe Lohnabschlüsse sind die Zukunft

Ein Beschäftigter der Metall- und Elektroindustrie steht in Hamburg mit einem 6,5 Prozent-Schild bei einer Kundgebung. Die IG Metall fordert 6,5 Prozent mehr Lohn, eine Übernahmepflicht  für Azubis und mehr Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte beim Einsatz von Zeitarbeitern. Quelle: dpa

Für den Anstieg der Verbraucherpreise sind häufig staatlich administrierte Preise mitverantwortlich (etwa für Nahverkehr, Trinkwasser und kommunale Dienste), hierbei landet kein Cent in Form gestiegener Erlöse in den Kassen der Industrie. Auch steigende Importpreise, etwa für Öl, kommen der deutschen Volkswirtschaft nicht zugute, können also eigentlich nicht „verteilt“ werden. Hohe Lohnabschlüsse machen Arbeit im Vergleich zu Kapital zudem relativ teurer – und erhöhen den Anreiz, Jobs durch Maschinen zu ersetzen oder ins billigere Ausland zu verlagern. Dies gilt insbesondere für den Low-Tech-Bereich und einfache Tätigkeiten.

Die Kernrate der Inflation (ohne Energie- und Nahrungsmittelpreise) dürfte 2012 bei etwa 1,5 Prozent liegen, der gesamtwirtschaftliche Produktivitätszuwachs bei etwa 1,0 Prozent. Daraus ergibt sich in verteilungsneutraler Spielraum für Lohnsteigerungen von etwa 2,5 Prozent. In der Realität dürfte es deutlich mehr werden. In der Metallindustrie dürfte am Ende mindestens eine Vier vor dem Komma stehen. Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, sieht darin sogar einen Trend und sagt einen „fundamentalen Wechsel in der deutschen Lohnpolitik“ voraus. Krämer: „Die Ära sehr niedriger Lohnabschlüsse ist vorbei.“ Der Ökonom geht davon aus, dass Löhne und Preise in Deutschland in den kommenden Jahren stärker steigen als im Euroraum insgesamt. In der für Inflationsbekämpfung zuständigen Europäischen Zentralbank (EZB) wachsen bereits die Ängste vor einer Lohn-Preis-Spirale in Deutschland.

Eine vernünftige Lösung ist gesucht

Die Gewerkschaften dürfen daher nicht überziehen und schon gar nicht in eine Nachschlagsdebatte einsteigen. Fakt ist: Die Globalisierung hat zu einem enormen Wettbewerbsdruck für deutsche Unternehmen geführt, der eine differenzierte Lohnpolitik erfordert. Um auch künftig im globalen Konkurrenzkampf bestehen zu können, benötigen die Unternehmen eine noch stärker ertrags- und betriebsorientierte Form von Tarifpolitik. Beispiele dafür gibt es bereits. Bei Continental etwa haben Konzern und Arbeitnehmervertreter eine Betriebsvereinbarung geschlossen, die feste Kennzahlen zur Berechnung eines Jahres-Bonus festlegt. Continental schüttet für 2011 eine Erfolgsbeteiligung von rund 70 Millionen Euro aus.

Ein Abschluss mit einer moderaten linearen Erhöhung, gepaart mit Einmalzahlungen und Arbeitnehmer-Boni, die bei einer guten wirtschaftlichen Lage des Betriebs durchaus üppig ausfallen dürfen – dies wäre eine Tarifpolitik, die gleichermaßen Jobs und Konsum sichert.

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