IG Metall-Tarifrunde Bildungsteilzeit wird zum Knackpunkt

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Heftige Gegenwehr

Bei den Arbeitgebern stößt die IG Metall damit auf heftige Gegenwehr. „Die Forderung der IG Metall nach einem tarifrechtlichen Weiterbildungsanspruch ist überzogen. Unternehmen, die wirtschaftlich nicht stabil dastehen, könnten dadurch Probleme bekommen“, sagt Phoenix-Contact-Manager Olesch. Arndt Kirchhoff, Verhandlungsführer der Metallarbeitgeber in Nordrhein-Westfalen, sieht sogar die Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung. „Was passiert denn, wenn künftig Mitarbeiter ihren Meister machen, obwohl ihr Unternehmen dafür keine adäquaten Stellen hat? Die Gefahr ist groß, dass sie sich die Fortbildung finanzieren lassen – und danach zu einem Wettbewerber wechseln.“

Weiterbildungsausgaben der deutschen Wirtschaft

Über Kreuz liegen die Kontrahenten auch in der Frage, wie umfangreich schon jetzt die Weiterbildungsaktivitäten der Unternehmen sind. Eine im Dezember präsentierte Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) kommt zu dem Schluss, dass neun von zehn Unternehmen in der Weiterbildung aktiv sind. Damit habe das Engagement in der betrieblichen Weiterbildung einen neuen Höchststand erreicht. Laut IW-Studie sind die Ausgaben von 2010 bis 2013 um 16 Prozent gestiegen – auf insgesamt 33,5 Milliarden Euro. Für jeden einzelnen Mitarbeiter gibt die deutsche Wirtschaft demnach rund 1.130 Euro pro Jahr für betriebliche Weiterbildung aus (siehe oben), und die Kosten für Azubis sind darin noch nicht enthalten. Verbrachten die Arbeitnehmer 2010 im Schnitt 29,4 Stunden in Lehr- und Informationsveranstaltungen, waren es 2013 bereits 32,7 Stunden.

Die IG Metall beeindruckt das wenig. Von den acht Milliarden Euro, die die Metall- und Elektroindustrie in die Köpfe ihrer Mitarbeiter investiert, fließe die Hälfte in die klassische Ausbildung, rechnen die Arbeitnehmervertreter vor. In Relation zum Umsatz der Branche von rund einer Billion Euro seien die verbleibenden Weiterbildungsausgaben mit einem Anteil von 0,4 Prozent arg gering.

Detlef Wetzel, Vorsitzender der IG-Metall. Quelle: dpa

Bei ihrem Vorstoß geht es der Gewerkschaft indes nicht nur um den Bildungshorizont der Arbeitnehmerschaft, sondern auch um die eigene Position. Die Angst der Gewerkschaft: Ohne massive und ständige Fortbildung könnten angesichts der Digitalisierung und des rasanten technologischen Wandels gerade solche Arbeitnehmer ihren Job verlieren, die heute zur Kernklientel der IG Metall zählen. Hinzu kommt: Wo es einen tariflichen Anspruch gibt, sind immer auch Funktionsträger nötig, die dessen Einhaltung kontrollieren. Betriebsräte-Umfragen in Metall- und Elektrobetrieben zeigen, dass derzeit in vielen Fällen die (meist von der IG Metall dominierten) Betriebsräte bei der Entscheidung über Qualifizierungsmaßnahmen nicht beteiligt werden. Das würde die IG-Metall-Spitze gern ändern.

Die nächste Quote

Hinter den Kulissen hat derweil die Suche nach einem Kompromiss begonnen. Die IG Metall würde gern einen Teil der ausgehandelten Lohnerhöhung in einen Fonds stecken, aus dem anschließend die Bildungsteilzeit finanziert wird. Zudem ist die Gewerkschaft bereit, eine Obergrenze einzuziehen, damit sich nicht zu viele Mitarbeiter gleichzeitig in Seminaren tummeln und die Betriebsabläufe durcheinandergeraten. IG-Metall-Chef Detlef Wetzel schlägt vor, einen bestimmten Anteil an der Belegschaft zu vereinbaren, der sich fortbilden kann. Welche Beschäftigten das konkret seien, müsse „in den Betrieben nach neuen Kriterienkatalogen vereinbart werden“. Das sei „weit besser, als die Entscheidung allein den Arbeitgebern zu überlassen, die oft nur einzelne Beschäftige und die kurzfristigen Interessen des eigenen Betriebs im Blick haben“. Ein ähnliches Procedere gibt es bereits bei der Altersteilzeit: Dort gilt in der Metallindustrie eine tarifliche Obergrenze von vier Prozent der Belegschaft.

Insgeheim hoffen viele Arbeitgeber noch, dass der IG-Metall-Basis am Ende mehr Geld auf dem Konto wichtiger ist als ein Grundrecht auf Seminare. Doch Metaller Giesler hält dagegen. „Je länger das Thema diskutiert wird, umso höher ist das Interesse der Belegschaften.“ Es gebe „eine hohe Bereitschaft an der Basis, auch für das Thema Bildungsteilzeit notfalls in einen Arbeitskampf zu ziehen“.

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