Aufgeschreckt wurde Deutschland Ende 2012. Risse im Beton führten zur Sperrung der Brücke der A 1 bei Leverkusen für den Schwerlastverkehr. 15.000 Lkw mussten die Brücke täglich weiträumig umfahren.
Nach drei Monaten veröffentlichte die Universität Köln eine Studie über den bis dahin aufgelaufenen Schaden: 60 bis 80 Millionen Euro. Spediteure verloren Zeit, litten unter höheren Betriebs- und Kraftstoffkosten, Unfälle und Lärm nahmen zu. Nach zwischenzeitlicher Freigabe gilt das Fahrverbot für Lkw ab 3,5 Tonnen bis heute.
Zustand der Brücken an Fernstraßen in Schulnoten
Nur 4,0 Prozent der Brücken an Fernstraßen sind in einem sehr guten Zustand.
Quelle: Bundesverkehrsministerium
9,8 Prozent der Brücken erhielten die Benotung "Gut".
Quelle: Bundesverkehrsministerium
Die meisten Brücken an deutschen Fernstraßen sind in einem befriedigenden Zustand. Mit der Schulnote 3 wurden rund 39,4 Prozent der Brücken bewertet.
Quelle: Bundesverkehrsministerium
Gerade noch akzeptabel ist der Zustand von 33,3 Prozent der Brücken. Sie erhielten die Note "Noch ausreichend".
Quelle: Bundesverkehrsministerium
"Nicht ausreichend" ist der Zustand von 11,8 Prozent der Brücken an Fernstraßen.
Quelle: Bundesverkehrsministerium
Die schlechteste Note "ungenügend" erhielten 1,7 Prozent der Brücken.
Quelle: Bundesverkehrsministerium
Leverkusen war erst der Anfang. Es folgten Risse in der Rader Hochbrücke bei Rendsburg in Schleswig-Holstein, der Schiersteiner Brücke bei Mainz und jüngst in der Rheinbrücke Neuenkamp bei Duisburg. Das Unternehmen Liebherr aus Baden-Württemberg muss beim Transport seiner Kräne durch Deutschland häufig Umwege von mehreren Hundert Kilometern in Kauf nehmen, weil diese mitunter an die 100 Tonnen wiegen, die Brücken aber nur 44 Tonnen tragen.
Die meisten dieser Bauwerke wurden in den Sechziger- und Siebzigerjahren erstellt – damals rechnete man mit weniger Verkehr. So konstruierten die Planer etwa die Leverkusener Autobahnbrücke für eine vierspurige Nutzung – am Ende wurde sie für viele Jahre unter einem Tempolimit von 100 Kilometern pro Stunde mit sechs Fahrstreifen genutzt. Inzwischen sind knapp 14 Prozent aller deutschen Fernstraßen-Brücken desolat. Ein Drittel erhält die Note ausreichend.
Natürlich liegt es auch am Geld – mal wieder. Bis 2009 investierte der Bund im Schnitt 330 Millionen Euro pro Jahr in die Reparatur der Brücken. Heute sind es immerhin mehr als eine Milliarde Euro. Doch allein in Nordrhein-Westfalen müssen nahezu alle Brücken bis 2024 komplett saniert werden. Das trifft besonders hart die Kommunen. Das Deutsche Institut für Urbanistik hat errechnet, dass 15 Prozent der bundesweit rund 67.000 kommunalen Straßenbrücken so marode sind, dass nur noch ein kompletter Neubau helfen würde. Weitere 35 Prozent dieser Brücken müssten dringend saniert werden.
Doch es fehlt nicht nur am Geld, auch bei der Planung gibt es Probleme. „Bei den Verwaltungsstrukturen und Genehmigungsverfahren herrscht ein enormer Reformstau“, sagt Architekt Albert Speer. So zögen sich Planfeststellungsverfahren häufig über mehr als zehn Jahre hin. „Das ist absurd.“ Die bittere Folge erklärt Speer so: „An vielen Stellen, vor allem in der Verkehrsplanung, bauen wir nach veralteten Standards, weil wir sonst – rechtlich betrachtet – das gesamte Genehmigungsverfahren wieder von vorne beginnen müssten.“ Das gelte etwa für Vorschriften zur Flächennutzung.
Die Planfeststellung im Bauwesen ist auch bei maroden Brücken ein Problem. Selbst wenn an der exakt gleichen Stelle neu gebaut werden soll, muss für die neue Brücke ein erneutes Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden. „Das ist an Idiotie kaum zu überbieten.“