Innere Sicherheit Beruhigungspillen von Maas und de Maizière

Die Vorschläge, die der Justiz- und der Innenminister vorgelegt haben, werden weder weitere Anschläge in Deutschland verhindern noch die Sicherheitsdebatte im Wahlkampf stoppen. Ein Kommentar.

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Die Regierung springt zu kurz und will die Bevölkerung in Sicherheit wiegen. Quelle: AFP

Berlin Ein großer Wurf ist es nicht geworden, was Innenminister Thomas de Maizière und Justizminister Heiko Maas da am Dienstag verabredet haben. Das war aber auch nicht zu erwarten, Union und SPD befinden sich längst im Wahlkampfwettstreit, wer den Bürgern das wirkungsvollere Sicherheitspaket präsentieren kann.

Die Vorschläge sollen helfen, dass sich ein Anschlag wie auf den Berliner Weihnachtsmarkt nicht wiederholt, verspricht der Justizminister. Verübt wurde der Anschlag von einem abgelehnten Asylbewerber, dessen Abschiebung scheiterte – der im Visier der Sicherheitsbehörden war, aber trotzdem morden konnte. Also nimmt sich die Regierung nun jene „Gefährder“ vor, zu denen auch der Attentäter Anis Amri gehörte.

Mit verschärften Wohnsitzauflagen, elektronischen Fußfesseln und erleichterten Haftvoraussetzungen sollen sie besser unter Kontrolle gebracht werden. Ob das die gut 200 bekannten Gefährder, die sich derzeit in Deutschland aufhalten, wirklich von Anschlägen abhalten wird? Das darf bei zu allem entschlossenen Terroristen getrost bezweifelt werden.

Gegen den Berliner Attentäter hätten ja längst strikte Meldeauflagen verhängt werden können. Doch die Behörden haben davon abgesehen, um ihn in Sicherheit zu wiegen und nicht merken zu lassen, dass er unter Beobachtung steht. Und einer der Islamisten, die im vergangenen Jahr einen französischen Priester töteten, trug eine Fußfessel. Die elektronische Überwachung sei kein „Heilmittel“, sagt Maas zu Recht, zumal für die Überwachung der meisten „Gefährder“ die Länder zuständig sind. Die jetzt angekündigte Änderung des BKA-Gesetzes bringt also so gut wie nichts.

Die Regierung springt zu kurz und will die Bevölkerung in Sicherheit wiegen, wenn sie sich jetzt so stark auf die „Gefährder“ konzentriert. Sie zu überwachen oder außer Landes zu bringen, ist wichtig, reicht aber nicht aus. Über Amris kriminelle Vorgeschichte und eine in Italien verübte Haftstrafe war lange nichts bekannt, weil die italienischen Behörden die Daten verspätet eingespeist hatten.

Und was sagt der Innenminister? Die Verhandlungen über einen verbesserten Datenaustausch in der EU seien „sehr wichtig“ und sollen doch jetzt bitteschön „zügig zu einem Abschluss gebracht werden“. Man kann es nicht mehr hören. Vielleicht sollte die Regierung nicht nur über Konsequenzen für Maghreb-Staaten nachdenken, die ihre Landsleute nicht zurücknehmen wollen, sondern auch für EU-Länder, die schlampig mit zentralen Daten umgehen. Hier endlich zu greifbaren Ergebnissen zu kommen, wäre wichtiger als jede Fußfessel.

Gleiches gilt für die Verhandlungen mit Asylherkunftsländern über die Rücknahme abgelehnter Asylbewerber. Dass hier jetzt auch Druck aufgebaut werden soll, etwa durch eine Kürzung der Entwicklungshilfe, ist nur konsequent. Viel zu lange ist die Regierung hier nur als „Bittsteller“ aufgetreten, wie Maas sagte. Ändert sich das nicht, werden erleichterte Haftvoraussetzungen für „Gefährder“ nur dazu führen, dass sich hierzulande die Gefängnisse füllen. Und damit ist letztlich auch niemandem gedient.

Die Maßnahmen, die der Innen- und der Justizminister jetzt beschlossen haben, sind nicht mehr als Beruhigungsdragees für eine verunsicherte Bevölkerung. Sie sind alleine weder geeignet, weitere Anschläge zu verhindern, noch werden sie die Sicherheitsdebatte stoppen können.

Längst liegen viel weitergehende Konzepte auf dem Tisch. Von de Maizière selbst, von SPD-Chef Sigmar Gabriel, vom CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer. Aber die schwarz-rote Koalition war immer schon gut darin, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu ziehen.

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