Innere Sicherheit Die CDU erinnert sich ihrer verstaubten Kompetenz

Seite 2/2

Strafmaßerhöhung für Wohnungseinbruchdiebstahl

Denn um den Verdächtigen in Untersuchungshaft zu nehmen, muss die Polizei vor Gericht einen Haftgrund angeben - Verdunkelungsgefahr oder Fluchtgefahr. Bei eindeutiger Beweislage entfällt erstere. Und letztere zu begründen, fällt meist schwer, erst recht, wenn der Beschuldigte einen festen Wohnsitz vorweisen kann. Nur bei „Schwerkriminalität“, also Verbrechen, die mit mindestens einem Jahr Freiheitsentzug bestraft werden, gehen deutsche Gerichte generell von Fluchtgefahr aus. Versuchter Einbruch ist nach aktueller Rechtslage aber kein schweres Verbrechen.

Das soll die geplante Gesetzesverschärfung demnächst ändern, die das Strafmaß für „Wohnungseinbruchdiebstahl“ auf mindestens ein Jahr Freiheitsentzug anheben und zur schweren Kriminalität befördern wird. Fluchtgefahr müssten Polizisten dann nicht mehr besonders begründen, und erwischte Einbrecher könnten in Untersuchungshaft genommen werden.

Die Gesetzesverschärfung ist nach Ansicht von Polizeigewerkschaftschef (und CDU-Mitglied) Rainer Wendt „seit längerer Zeit überfällig“. Dass sie nun doch kommt, hat zweifellos mit der besonderen Brisanz des Themas Innere Sicherheit im Superwahljahr 2017 zu tun. Aber ähnliche Schwachstellen bleiben. Zum Beispiel: Selbst schwer straffällige Ausländer müssen oft freigelassen werden, weil Abschiebehaftplätze fehlen (in Berlin gibt es keinen einzigen!). Und: Die für kleine Delikte vorgesehenen Geldstrafen oder Sozialauflagen haben nicht die geringste Abschreckungswirkung auf kriminelle Asylbewerber, weil diese meist kein einziehbares Geld haben.

Taschendiebstahl ist für Nordafrikaner in Deutschland daher de facto ein fast risikoloses Geschäft. Der deutsche Staat sei hier „recht machtlos“, sagt der Kriminologe Rudolf Egg – zumindest solange, wie die Gesetzeslage keine anderen, spürbaren Sanktionen zulasse. Bisher ist von den Parteien hier nichts zu hören.

Risiko für Parteien

Der Fokus auf Innere Sicherheit als Wahlkampfthema könnte einen für alle etablierten Parteien – inklusive CDU - riskanten Nebeneffekt haben: nämlich den in der aktuellen Kriminalitätsstatistik offenbar werdenden und von vielen Bürgern empfundenen kausalen Zusammenhang zwischen dem Anstieg von Zuwanderung und Kriminalität. Die Zahl der Straftaten von Flüchtlingen ist 2016 gegenüber dem Vorjahr um die Hälfte gestiegen. „Da gibt es nichts zu beschönigen“, sagte de Maizière bei der Vorstellung der Kriminalitätsstatistik. Nicht zu verleugnen ist auch das starke Anwachsen der „politisch motivierten Ausländerkriminalität“.

Polizeigewerkschaftschef Wendt, selbst CDU-Mitglied, kann verstehen, wenn viele Bürger angesichts der offenen Grenzen im Herbst 2015 und Frühjahr 2016 zum Schluss kommen: „Jetzt versuchen die Politiker die Probleme zu lösen, die sie selbst zugelassen haben.“ Der Eindruck vieler Wähler, dass der deutsche Staat und seine verantwortlichen Politiker über Monate hinweg bewusst einen Kontrollverlust hinnahmen, ist nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Er ist ein Kernthema der aufgeheizten Politisierung weiter Bevölkerungsschichten in Deutschland.

Der sicherheitspolitische Aktionismus des Superwahljahres 2017 ist einerseits der Versuch, diesen Eindruck des Kontrollverlustes wieder zu revidieren. Andererseits bringt er, auch wenn Politiker aller Parteien außer der AfD dies zu verhindern suchen, immer wieder diesen unbequemen Zusammenhang von Einwanderungs- und Innerer Sicherheitspolitik ins Bewusstsein.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%