Integrationsdebatte Wie viel Toleranz muss sein?

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Friedliches Zusammenleben?

Viel Staub hat zuletzt auch der Fall des schiitischen Imams Kerim Ucar aus Berlin aufgewirbelt, der einer Lehrerin seines Sohnes aus religiösen Gründen nicht die Hand geben wollte. Diese brach daraufhin das Gespräch ab. Der Imam sah sich in seiner Religionswürde verletzt. Schließlich entschuldigte sich die Schule bei ihm. „So etwas sind unnötige, lästige Konflikte“, sagt Ercan Karakoyun.

Er ist Vorsitzender der Stiftung Dialog und Bildung. Die Stiftung gehört zur Bewegung des türkischen Predigers Fethullah Gülen. Karakoyun sagt: „Eine ausgestreckte Hand solle man nie zurückweisen.“

Um ein paar schrille Töne reicher ist die Debatte um Zuwanderung, Identität und Wertvorstellungen seit den massenhaften Übergriffen auf Frauen in der Kölner Silvesternacht. Der aus Syrien stammende Politologe Bassam Tibi behauptete in diesem Zusammenhang kürzlich in einem Interview der „Basler Zeitung“: „Deutschland ist unfähig, eine Hausordnung für das friedliche Zusammenleben anzubieten.“

Das Asylpaket II

Der Autor und Ahmad Mansour („Generation Allah“) beschwerte sich in einem Gastbeitrag für die „taz“, er werde neuerdings von Linken und Anhängern der Grünen angefeindet, weil er die „konfessionelle Enge“ der islamischen Gemeinden hierzulande beklage. Mansour empörte sich: „Ein Netzwerk von deutschen Links-liberalen und Grünen „beschützt“ eine Mehrheit der Muslime in Deutschland vor einer Minderheit ihrer muslimischen Kritiker. Was ist daran links, was progressiv?, frage ich mich. Und: Seid ihr noch bei Trost? Oder sind wir eure Kuscheltiere geworden.“

Politiker, die sich mit Integration beschäftigen, weisen oft darauf hin, wie wichtig es sei, Zuwanderern möglichst rasch nach ihrer Ankunft zu erklären, welche Regeln für ein friedliches Zusammenleben in Deutschland gelten und was von ihnen erwartet wird. „Bei vielen Flüchtlingen aus der islamischen Welt stellt sich ganz früh schon ein Gefühl der Angst um die religiöse und kulturelle Identität ihrer Kinder ein.

Asylsuchende in Deutschland

Sie fragen sich zum Beispiel, ob ihr Kind mitfahren soll auf die Klassenfahrt - im Prinzip sind das die gleichen Fragen, mit denen sich auch ein Teil der muslimischen Zuwanderer früherer Generation befasst“, berichtet ein türkischstämmiger Kulturmittler aus München.

Der Experte, der in München Flüchtlingshelfer schult, sagt: „In vielen Flüchtlingsheimen kursieren leider negative Bilder über Deutschland - auch in Bezug auf Assimilation“. Diese Ansichten würden meist von einigen wenigen Hardlinern verbreitet. Dagegen anzukommen sei für Sozialarbeiter und Ehrenamtliche oft nicht leicht.

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