Internationaler Tag des Lehrers „Ich vergleiche die Schule gerne mit einer Fußballmannschaft“

Lehrermangel, Inklusion, G8 - wer sich für die Schule als Arbeitsplatz entscheidet, hat es nicht immer so leicht. Mit Idealismus allein kommt man da nicht weit, mahnt Thomas Langer, Lehrer an einem Leipziger Gymnasium.

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Im Schnitt werden demnach bundesweit knapp fünf Prozent der Stunden vertreten. Oft sind ihre Vertretungslehrer nicht auf den normalen Unterrichtsstoff vorbereitet. Quelle: dpa

Düsseldorf Spätestens seit Filmen wie „Fack ju Göhte“, denken viele angehende Pädagogen, das Leben als Lehrers muss ganz schön entspannt sein: Feierabend um eins, locker mit Kindern ein paar Themen durchsprechen und ständig wochenlang bezahlten Urlaub. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Über den Lehrermangel in Deutschland ist im Sommer viel diskutiert worden. Nach Ansicht der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ist die Lage so „zugespitzt wie seit zehn Jahren nicht“, der Verband Bildung und Erziehung (VBE) warnte, Deutschland steuere „sehenden Auges in einen pädagogischen Notstand“. Bereits im Juli hatte die Bertelsmann-Stiftung in einer Studie einen künftigen „Schüler-Boom“ prophezeit - und damit eine weitere Verschärfung der Lage. Aktuell sind knapp 3300 Stellen unbesetzt. Wie lässt sich unter der Belastung noch arbeiten?

Herr Langer, heute ist internationaler Lehrertag. Was sind die größten Herausforderungen für Ihren Berufsstand in den nächsten fünf Jahren?
Die größten Herausforderungen sind natürlich weiterhin die Schüler. Wir sehen, dass die Klassen immer heterogener zusammengewürfelt sind. Nicht nur mehr Migrantenkinder kommen in die Schule. Wir müssen auch einen Weg finden Kinder, die aus unterschiedlichen sozialen Schichten kommen, gut zu betreuen. Wenn in der Bevölkerung die Schere zwischen Arm und Reich wächst, merkt man das in der Schule zuerst. Und die Eltern sind engagierter geworden. Das ist schön, kann manchmal aber sehr anstrengend sein.

Anstrengend ist ein gutes Stichwort – was müsste getan werden, damit mehr junge Abiturienten diesen doch mitunter anstrengenden Beruf anstreben?
Die Politik muss mehr Anreize schaffen. Wir brauchen ein System, das nicht nur auf den reinen Idealismus des Lehrers vertraut. Lehrer sollte mehr ein Karriereberuf werden, in dem verschiedene Aufgaben auch entsprechend entlohnt werden. Wenn man junge Referendare ausbildet, oder andere Extra-Aufgaben übernimmt, sollte das auch honoriert werden. Eine allgemein höhere Bezahlung und ein garantierter Beamtenstatus würden sicherlich auch helfen, dass sich mehr Leute für diesen Beruf entscheiden.

Sie sind nicht nur selbst Lehrer, sondern auch Vorsitzender des Verbandes der Jungen Philologen. Was macht jungen Lehrern am meisten zu schaffen?
Am Anfang müssen die neuen Kollegen viele Dinge zum ersten Mal alleine bewerkstelligen, also eine Schulfahrt organisieren oder auch einen Elternabend halten. Bereits jetzt bieten verschiedene Bundesländer Programme zur Unterstützung von Berufseinsteigern an, in denen sie zum Beispiel lernen, ihre Zeit besser einzuteilen, mit Belastungen umzugehen und das in der Ausbildung Gelernte im Schulalltag anzuwenden. Diese Programme sollte es in allen Ländern geben. Und vor allem sollten junge Lehrerinnen und Lehrer nicht von Beginn an mit einem vollen Stundenplan belastet werden, gerade weil die ersten Jahre im Beruf so intensiv sind. Ähnlich wie für ältere Kollegen, sollte es auch für Sie einen geringeren Unterrichtsumfang geben. Aber dafür gibt es natürlich zu wenig Lehrer.

Und wegen des Lehrermangels fallen auch viele Stunden aus. Was müsste geschehen, damit das nicht mehr passiert?
Ich vergleiche die Schule gerne mit einer Fußballmannschaft: Die kann auch nicht spielen, wenn es nur elf Leute gibt und davon vier fehlen. Das ist auch in der Schule so. Wir brauchen eine Reserve. Gerade im Winter, wo viele Lehrer jahreszeitbedingt krank sind. Die Politik verlässt sich immer darauf, dass wir das irgendwie regeln. Die Schulen dürfen nicht weiter allein gelassen werden. Die Ämter müssen Entscheidungen treffen – das betrifft nicht nur den Personalausbau, sondern zum Beispiel auch die Digitalisierung.

Ist das auch eine große Herausforderung für den Berufsstand Lehrer?
Ich würde mir wünschen, dass da schneller etwas getan wird. Wir brauchen die technische Ausrüstung, aber auch das Fachwissen. Leider haben wir das nicht in der Hand, sondern die Behörden. Da müssen Entscheidungen getroffen werden. Wir wissen oft nicht einmal, an wen wir uns wenden sollen, wenn wir Fragen haben. Dabei ist es wichtig, die Schüler fit zu machen. Eine große Herausforderung, insbesondere der Grundschulen, wird es außerdem sein, die Migranten zu integrieren.

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