Interview mit Forsa-Chef „Ansehen der Autoindustrie hat nicht gelitten“

Bedrohen die Kartellvorwürfe gegen die Autobauer und die Abgasmanipulationen das Image der Branche? Forsa-Chef Güller hat dafür keine Anhaltspunkte. Auch den Wahlkampf dürfte das Thema kaum beeinflussen, meint er.

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„Die derzeitige Debatte hat keinen besonders hohen Stellenwert bei den Bürgern. Ihre Autos fahren ja.“ Quelle: dpa

Berlin Belastete zuvor bereits der Skandal um millionenfach manipulierte Dieselmotoren des VW-Konzerns die Auto-Branche, sollen sich laut „Spiegel“ seit Jahren VW, Audi, Porsche, BMW und Daimler womöglich über Technik, Kosten und Zulieferer verständigt haben. Naheliegend wäre, dass vor diesem Hintergrund das Image der Autobauer Schaden nimmt. Doch das sieht der Chef  des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner, anders. Auch hält er den Einfluss des Thema auf den Bundestagswahlkampf für äußerst begrenzt.

Herr Güllner, in der Diesel-Debatte wird viel über die Verantwortung der Autokonzerne gesprochen, die Folgen für die Diesel-Fahrer erscheinen eher wie eine Randnotiz. Kann sich das im Wahlkampf noch rächen?

Ich kann nicht erkennen, dass die Diesel-Debatte einen Einfluss auf die Entscheidungsprozesse der Wähler bei der Bundestagswahl haben wird. Das Thema ist für viele schwer durchschaubar und nur wenige dürften sich darüber aufregen.

Aber es sind etliche Bürger, die einen Diesel fahren, betroffen. Beim Diesel-Gipfel Anfang August sind aber keine Verbraucherschützer eingeladen. Befördert dies in der öffentlichen Wahrnehmung nicht das Gefühl, die Politik bevorzuge die Interessen der Wirtschaft?

Das würde ich nicht generell negativ sehen. Die Erhaltung von Arbeitsplätzen und die Schaffung von neuen ist trotz gesunkener Arbeitslosigkeit ein wichtiger Aspekt. Im Übrigen glaube ich nicht, dass das Ansehen der Autoindustrie durch die Diesel-Debatte wirklich gelitten hat. Der ökonomische Nutzen dürfte überwiegen.

Spielen die möglichen Kartellabsprachen im Wahlkampf eine Rolle?

Die Gemengelage ist für viele zu kompliziert. Es ist schwer, den oder die Schuldigen eindeutig auszumachen. Zudem: Wenn die Autokonzerne bestimmte Absprachen treffen, dann ist das ja nicht unbedingt zum Nachteil der Autobesitzer. Die Leute sind eher irritiert, wenn da nun wieder kartellrechtliche Vorgaben aus der Brüsseler Bürokratie kommen. Das greift ja in den Alltag der Bürger ein. Deswegen glaube ich, dass die derzeitige Debatte keinen besonders hohen Stellenwert bei den Bürgern hat. Ihre Autos fahren ja.

Und die Diskussionen um gefährliche Schadstoffemissionen?

Mein Eindruck ist, dass die Bürger in der Städten das Feinstaub-Thema und die Einrichtung von Umweltzonen eher mit Misstrauen begleitet haben. Die Schilder mit den umweltschonenden Hinweisen beachtet ja kaum jemand, auch weil die Wirkung von Umweltzonen umstritten ist. In Teilen der Politik ist da zudem auch viel Übertreibung im Spiel. Die meisten Bürger interessiert das deshalb nicht allzu sehr.

Und wenn es Diesel-Fahrverbote gäbe?

Ich glaube nicht, dass die Bürger dafür Verständnis hätten. Der Nutzen erschließt sich für viele nicht. Verbote würden eher als lästige Pflicht wahrgenommen.

Also eine Art Bevormundung.

Fahrverbote wirken natürlich bevormundend. Das kennen die Bürger ja in genügend Umfang von den Grünen. Da werden abstrakte Diskussionen über den Klima- und Umweltschutz geführt, aber im Verhalten der Bürger spielt das eher eine untergeordnete Rolle. Nur eine Minderheit verhält sich wirklich umweltbewusst oder klimagerecht. Ökostrom zum Beispiel kaufen nur wenige. Den meisten ist es nach wie vor egal, wo und wie Energie erzeugt wird.

Welchen Stellenwert messen die Bürger dem Verbraucherschutz bei?

Die Bürger vertrauen generell den Verbraucherschützern. Allerdings wollen sie nicht ständig reglementiert werden. Bei Wahlen propagiert die Politik immer einen mündigen Bürger, der frei entscheiden soll. Im Bereich Verbraucherschutz wird der Bürger aber ständig gegängelt oder überfordert. Durch den dichten Siegel-Dschungel blickt ja keiner mehr durch. Die Bürger fühlen sich durch diese Regulierungswut eher drangsaliert.

Wer ist politischer Gewinner, wer Verlierer in der Diesel-Debatte?

Allenfalls die Grünen könnten davon profitieren. Aber das ist eben nur eine Minderheit. Die Partei ist ja auf ihre Kernwählerschaft geschrumpft. Sie kann das Thema zur Mobilisierung dieser Stammwähler, aber nicht zur Gewinnung neuer Wähler nutzen, zumal der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann eng mit der Autoindustrie verbandelt ist.

Produzieren solche Debatten wie die um den Diesel am Ende vielleicht sogar noch mehr Nichtwähler?

Das ist momentan nicht erkennbar. Im Gegenteil: Wir haben einen nachwirkenden Schulz-Effekt. Die Zahl der Wahlwilligen liegt aktuell höher als bei der vergangenen Bundestagswahl. Ich rechne deshalb eher damit, dass die Wahlbeteiligung steigen wird.

Weshalb?

Das Interesse an Politik ist gestiegen. Das ist durch Martin Schulz ausgelöst worden. Als er als SPD-Kanzlerkandidat nominiert worden ist, hat das unentschlossene Wähler zur SPD zurückgebracht. Profitiert haben aber auch andere. Im Saarland etwa haben viele aus Angst vor einer rot-roten Landesregierung die Christdemokraten gewählt. Eine ähnliche Entwicklung gab es dann in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen.

Herr Güllner, vielen Dank für das Gespräch.

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