Islam-Bekenntnis der Kanzlerin „Frau Merkel, Sie irren sich!“

Der Islam gehört inzwischen zu Deutschland: Diese Äußerung des früheren Bundespräsidenten Wulff hat sich Kanzlerin Merkel zu eigen gemacht. Und liegt damit völlig daneben, meint ein bekannter deutsch-ägyptischer Autor.

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Der deutsch-ägyptische Schriftsteller und Politologe Hamed Abdel-Samad geht mit der Kanzlerin und ihrem Islam-Bekenntnis schwer ins Gericht. Quelle: dpa

Berlin Als er den Islam als „religiösen Faschismus“ bezeichnete, wurde der deutsch-ägyptische Politologe Hamed Abdel-Samad von Glaubensführern mit der sogenannten Fatwa belegt, und sie riefen zu seiner Ermordung auf. Doch der Autor („Der Untergang der islamischen Welt“ und „Krieg oder Frieden: Die arabische Revolution und die Zukunft des Westens“) ließ sich davon nicht beeindrucken und äußerte sich weiterhin kritisch.

Dass er auch die Sicht von Kanzlerin Angela Merkel auf den Islam in den Blick nehmen würde, war zu erwarten. Ungewöhnlich ist, mit welcher Schärfe das frühere Mitglied der deutschen Islam-Konferenz der CDU-Bundesvorsitzenden in  die Parade fährt.

„Hilflos und fantasielos“ nennt es Abdel-Samad, dass sich Merkel eine Äußerung des früheren Bundespräsidenten Christian Wulff aus dem Jahr 2010 zu eigen gemacht hatte: „Der Islam gehört zu Deutschland.“

Abdel-Samad, der unter anderem am Erfurter Lehrstuhl für Islamwissenschaft und am Institut für Jüdische Geschichte in München arbeitet, wendet sich über seine Facebook-Pinnwand direkt an die „sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin“. Er gesteht ihr zu, dass sie als Kanzlerin aller Menschen, die in Deutschland leben, „selbstverständlich auch die Kanzlerin der Muslime“ sei.

Allerdings, so Abdel-Samad, sei sie, die Kanzlerin, nicht dazu ermächtigt zu behaupten, der Islam gehöre zu Deutschland. „Es ist nicht die Aufgabe eines Politikers, eine Religion zu rehabilitieren oder zu bewerten“, stellt der Wissenschaftler klar. Politiker seien für die Menschen da und nicht für die Ideologien dieser Menschen.

Abdel-Samad weist die Kanzlerin zurecht, bevor sie diese Behauptung in die Welt setze, verpflichtet sei, den Bürgern in Deutschland zu erklären, was der Islam sei. Und dann listet er die aus seiner Sicht relevanten Fragen zu dem Thema auf: „Gehört die Aufteilung der Welt in Gläubige und Ungläubige auch zu Deutschland? Was ist mit Dschihad? Was ist mit Polygamie? Was ist mit der Todesstrafe für Apostaten? Was ist mit Körperstrafen für Diebe und Ehebrecher und Alkoholtrinker? Was ist mit Frauenrechten, die im Islam kaum vorhanden sind? Was ist mit Sklaverei, die im Islam nicht verboten ist? Was ist mit dem Recht der Kinder Angstfrei erzogen zu werden und nicht mit der Drohung mit Höllenqual aufzuwachsen?“


„Mohamed ließ die Lästerer töten“

An Merkel gewandt, fährt Abdel-Samad dann fort: „Entweder wissen Sie nicht, dass all das auch zum Islam gehört, dann sind Sie nicht qualifiziert, dieses Urteil zu fällen. Oder Sie wissen Bescheid und täuschen die Bürger dieses Landes um weiterhin Saudi Arabien Panzer zu verkaufen und dem türkischen Handelspartner nicht zu verärgern.“ Auch er sei ein Bürger Deutschland, betont er.

„Und sage Ihnen, Sie irren sich. Und Sie tun Muslimen kein Gefallen in dem Sie etwas behaupten, was der Wahrheit nicht entspricht und was die Mehrheit der Deutschen anders sieht, übrigens auch viele deutsche Muslime und Ex-Muslime, die vor dem Islam in ihren ehemaligen Heimatländern fliehen mussten.“

Tatsächlich empfindet fast jeder fünfte Deutsche Unbehagen über den Islam. In einer am Mittwoch veröffentlichten „Stern“-Umfrage gaben dies 18 Prozent der Befragten an. Unter den Anhängern der islamkritischen Alternative für Deutschland (AfD) stimmten demnach sogar 56 Prozent dieser Aussage zu. Die überwiegende Mehrheit von 79 Prozent aller Befragten verneinte hingegen, dass der Islam ihnen Unbehagen bereite.

Nach den Terroranschlägen von Paris äußerten 63 Prozent der Befragten die Auffassung, dass sich muslimische Verbände in Deutschland stärker als bisher gegen radikale Islamisten zu Wort melden und engagieren müssten. Knapp ein Drittel der Befragten (30 Prozent) ist nicht dieser Ansicht.

Der Erhebung des Meinungsforschungsunternehmens Forsa zufolge befürchten 42 Prozent der Bundesbürger, dass in absehbarer Zeit auch mit terroristischen Gewalttaten in Deutschland zu rechnen ist. Im Dezember hatten sich nur 26 Prozent in dieser Richtung geäußert.

Solche Stimmungen haben für den Islam-Experten Abdel-Samad eine naheliegende Ursache. Konkret wird er in einem von ihm verfassten Text mit der Überschrift „Mohamed ließ die Lästerer töten“, der am Donnerstag in der Wochenzeitung „Die Zeit“ erscheint. „Es tut mir sehr leid, dass ich mit meinen Texten nun die rührende friedliche Stimmung störe“, schreibt Abdel-Samad auf seiner Facebook-Seite. „Aber Frieden entsteht nicht wenn man die authentischen islamischen Passagen ausblendet, die die Mörder benutzten um ihre Anschläge zu legitimieren. Sondern indem man sie beleuchtet und ehrlich diskutiert.“


„Welchen Islam meinst du? Es gibt ja nicht den einen Islam“

Solche Passagen gebe es im Koran sowie in der autorisierten Biographie und Überlieferung des Propheten. „Alles findet sich in der Bibliothek jeder großen Moschee auch in Deutschland“, betont Abdel-Samad. Statt zu behaupten, die Anschläge in Frankreich hätten mit dem Islam nichts zu tun, müssten daher Theologen und Islamvertreter entweder diese Passagen für nichtig erklären oder zugeben dass Mohamed in vieler Hinsicht kein moralisches Vorbild für das 21. Jahrhundert sein könne.

Abdel-Samad berichtet in diesem Zusammenhang auch davon, dass Islam-Rechtsgelehrte verärgert seien, wenn er vom „islamischen Faschismus“ spreche „Welchen Islam meinst du? Es gibt ja nicht den einen Islam“, werde er dann gefragt. Allerdings, fügt er hinzu, jubelten die gleichen Anwälte, wenn die deutsche Kanzlerin behaupte, der Islam gehöre zu Deutschland, ohne die Kanzlerin zu fragen welchen Islam sie genau meine. „Bei der Kritik wollen sie gerne differenzieren, bei der Vorteilnahme wollen sie gleich das Gesamtpaket.“

Tatsächlich wurde Merkel aus der islamischen Welt für ihre Äußerungen gelobt. Islamische Gelehrte der anerkannten Azhar-Universität in Kairo dankten der Bundeskanzlerin. Der Satz, der Islam gehöre zu Deutschland, sei ein Zeichen für friedliche Koexistenz, kommentierten die Gelehrten in einer am Mittwoch veröffentlichten Erklärung. Terror dürfe nicht missbraucht werden, „um die verschiedenen Religionen auszugrenzen“, hieß es mit Blick auf die Ereignisse in Paris vergangene Woche.

Islamisten hatten in Paris die Redaktion der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ gestürmt und zwölf Menschen getötet. Azhar-Gelehrte verurteilten die Tat als kriminell und unislamisch. Muslimen empfahlen sie, die am Mittwoch veröffentlichten neuen Mohammed-Karikaturen der Zeitschrift zu ignorieren. Der Prophet Mohammed wird von Muslimen weltweit verehrt, seine Abbildung gilt im Islam als verboten. Gläubige sollten der „Versuchung des Hasses“ widerstehen, mahnten die Azhar-Gelehrten.

Danach sieht es aber nicht aus. Ein Gericht in der Türkei ordnete inzwischen die Sperrung von Internetseiten an, die das Titelbild der neuen Ausgabe der französischen Satirezeitung zeigen. Und auch der Iran reagierte verschnupft. Die neue Mohammed-Karikatur provoziere Muslime auf der ganzen Welt und beleidige den Islam, sagte Außenamtssprecherin Marsieh Afcham. 

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