Islam-Debatte Jüdischer Verband AJC greift Merkel an

„Unangebracht“, „bevormundend“: Die Aussagen von Angela Merkel über die Zugehörigkeit des Islams zu Deutschland sorgen nicht nur in der Union für Unmut. Auch das American Jewish Committee kritisiert die Kanzlerin.

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Wegen einer Islam-freundlichen Äußerung unter Beschuss: Kanzlerin Angela Merkel. Quelle: Reuters

Berlin Das American Jewish Committee (AJC) hat die Aussagen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) über die Zugehörigkeit des Islams zu Deutschland scharf kritisiert. „Ich finde, das Wort „gehören“ unangebracht“, sagte der Direktor des AJC-Europabüros in Brüssel, Stephan Kramer, dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). Es sei eine Tatsache, dass vier Millionen Muslime in Deutschland lebten. Sie seien Teil der Gesellschaft.

„Ob ihre Religion zu Deutschland „gehört“ oder nicht, müssen sie sich von niemandem attestieren lassen“, sagte Kramer weiter. „So politisch korrekt der Spruch, der Islam gehöre zu Deutschland, sein mag, so ist er auch bevormundend. Hat denn jemand gefragt, ob die Mormonenreligion zu Deutschland gehört? Oder der Buddhismus? Die Bahai-Religion?“

Kramer gab überdies zu bedenken, dass es unter den Moslems auch Extremisten gebe. „Diese sind – leider – ebenso Teil der deutschen Gesellschaft, wie es andere Extremisten sind“, sagte er. Das bedeutet aber nicht, dass sie nicht bekämpft werden müssten. Im Gegenteil, seien auch Moslems in der Pflicht, mitzuwirken. „Sie werden sich daran messen lassen müssen, inwieweit sie die deutsche Demokratie verteidigen, statt die Extremisten in den eigenen Reihen zu dulden.“

Merkel hatte unter Bezug auf die Aussage des früheren Bundespräsidenten Christian Wulff, der Islam gehöre zu Deutschland, gesagt: „Dieser Meinung bin ich auch.“

In der Union regte sich ebenfalls Widerstand gegen das Zugehen auf Muslime durch Merkel. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Bareiß sagte dem Handelsblatt, es sei unbestritten, dass hierzulande mehrere Religionen nebeneinander friedlich bestehen könnten. „Aber die Wurzeln unseren Landes sind in erster Linie und vor allem von der christlich-jüdischen Tradition geprägt“, argumentierte Bareiß, der dem konservativen Berliner Kreis in der CDU angehört.

David Bendels vom „Konservativen Aufbruch“ in der CSU warf Merkel im Handelsblatt vor, mit ihrer „pauschalen und undifferenzierten Aussage zum Islam“ die Befürchtungen einer zunehmenden Islamisierung Deutschlands zu befördern. Der Islam zeige „alle Facetten einer Religion, die dort, wo sie zur vollen Entfaltung kommt, leider immer wieder verlässlich ihre totalitären und menschenverachtenden Züge zeigt“.


„Fortschreitende Islamisierung infolge der Geburtenfreudigkeit“

Die sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Veronika Bellmann zeigte Verständnis für Befürchtungen einer zunehmenden Islamisierung Deutschlands. Die „fortschreitende Islamisierung“ sei schon „infolge der demographischen Situation, der Geburtenfreudigkeit auf der einen und des Geburtendefizits auf der anderen Seite gegeben, unabhängig  von Ideologisierung oder Missionierung durch Imame, Hassprediger oder anderen“ sagte Bellmann dem Handelsblatt (Online-Ausgabe).

In diesem Zusammenhang äußerte Bellmann scharfe Kritik an den Äußerungen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) über die Zugehörigkeit des Islams zu Deutschland. „Die Aussage, dass der Islam zu Deutschland gehört, war schon vom damaligen Bundespräsidenten Wulff falsch. Es wird nicht richtiger, wenn ihn die Kanzlerin sagt“, sagte die CDU-Politikerin. „Ich halte die von ihr wiederholte Wulff‘sche Aussage im negativsten Falle für Anbiederei und Populismus im positivsten Fall eine beruhigende Ansage an die Muslime. In jedem Falle spaltet dieser Satz mehr als er eint.“

Bellmann betonte, dass die deutsche Identität nicht auf der Religion des Islam, sondern auf den Werten des christlich jüdischen Abendlandes beruhe. „Die Verfasstheit und Historie unsres Landes zeigt keine Verbindung zum Islam. Allenfalls Muslime gehören zu unserer Gesellschaft, wenn sie sich zu unserem Land bekennen“, sagte sie.

Allerdings habe der Islam die Phase der Aufklärung noch nicht durchlaufen, sagte die CDU-Politikerin weiter. Es herrsche eine konservative und eine nicht liberale Auslegung des Korans vor. „Da es keine Interpretationsautorität gibt, wie in den christlichen Kirchen, kann jeder den Koran auslegen, wie er es versteht“, kritisierte Bellmann. „Daher die zahlreichen Glaubensrichtungen im Islam, deren Vertreter sich untereinander mitunter heftig bekriegen.“  Aus ihrer Sicht wären daher Vertreter eines aufgeklärten Euro-Islam „mit Sicherheit die beliebtesten Opfer der konservativen Glaubensbrüder, für die islamistischer Fundamentalismus eine Machtfrage ist“.


„Auf das Grundgesetz darf es keinen religiösen Rabatt geben“

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer (CDU), stellte sich klar hinter Merkel. Grosse-Brömer sagte: „Ich finde, das ist in der aktuellen Situation eine richtige Botschaft der Kanzlerin gewesen.“

CDU-Bundesvize Julia Klöckner betonte, das Grundgesetz sei das Entscheidende für den Zusammenhalt. „Muslime sind Teil von Deutschland, die Wurzeln unseres Landes sind aber christlich-jüdisch geprägt“, sagte sie der dpa. „Auf das Grundgesetz darf es keinen Rabatt geben, auch keinen religiösen Rabatt.“

Auch die rechtskonservative Alternative für Deutschland (AfD) schaltete sich in die Debatte ein. Der AfD-Vorsitzende Bernd Lucke, dessen Partei den Kontakt zur Pegida sucht, erklärte im Handelsblatt: „Der Islam ist Deutschland fremd.“ Auch nach Jahrzehnten einer muslimischen Einwanderung sei der Islam den meisten Deutschen nicht vertraut. Dennoch gehörten Muslime, die sich an deutsche Werte und Rechtsordnung hielten, „selbstverständlich zu uns“.

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